„Hochsensibilität ist keine Krankheit“

Die Psychologin Sandra Konrad arbeitet an mehreren Studien zum Thema Hochsensibilität. Hier spricht sie über ihre Erkenntnisse.

Das Foto zeigt eine junge Frau, die sich eine Hand an das Gesicht hält
Besonders empfindsame Menschen erleben es oft als hilfreich, endlich eine Bezeichnung für ihre Veranlagung zu haben. © plainpicture

Was genau ist Hochsensibilität eigentlich? Laut Sandra Konrad, Diplompsychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr Hamburg, ist Hochsensibilität keine psychische Störung und erst recht keine Krankheit, sondern eine Besonderheit der Reizverarbeitung. Sie sagt: „Es gibt vier Indikatoren, die für eine Hochsensibilität sprechen. Dazu gehören eine hohe Ansprechbarkeit für psychische und sensorische Reize, eine stärkere Verarbeitung von Informationen und die Verhaltenshemmung beziehungsweise der Verhaltensrückzug. Diese Menschen sind leichter reizüberflutet und benötigen mehr Phasen, in denen sie sich zurückziehen können, um diese Eindrücke zu verarbeiten.“

Bislang ging man davon aus, dass das Merkmal auf etwa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung zutrifft. „Eine neuere Studie berichtet hingegen von drei Gruppen. Da sind einmal die Hochsensiblen, die circa 31 Prozent ausmachen, die durchschnittlich Sensiblen mit 40 Prozent und die weniger Sensiblen mit circa 29 Prozent.“

Viele Hochsensible seien gleichzeitig seelisch belastet, sagt Konrad. „Ein Grund mag sein, dass Hochsensible häufig wegen ihrer Besonderheiten stigmatisiert und eher geringgeschätzt werden. Die Betroffenen erleben das verständlicherweise als sehr kränkend. Neben dieser Abwertung durch andere Menschen kommt noch eine negative Selbsteinschätzung hinzu: Wenn Hochsensible sich mit anderen vergleichen, empfinden sie sich oft als unzulänglich.“

Umso erleichterter seien Hochsensible, wenn sie von ihrer Veranlagung erführen und sich selbst als hochsensibel einordnen könnten. Endlich könnten sie sich mit etwas identifizieren; mit etwas, das ihnen helfe, sich selbst besser zu verstehen. „Viele setzen sich dann ausführlich mit der Hochsensibilität auseinander und lernen, sich besser zu strukturieren und bestimmte Dinge zu ändern – beispielsweise besser auf sich zu achten, indem sie sich Rückzugsräume zugestehen.“

Das vollständige Interview mit Sandra Konrad finden Sie in unserem Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Still und stark: Wie sich sensible und introvertierte Menschen in einer lauten Welt behaupten

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