Was hast du jetzt schon wieder?

​Ulrike Hensel zeigt in ihrem neuen Buch, wie man am besten mit hochsensiblen Mitmenschen umgeht.

Wer selbst zur Gruppe hochsensibler Personen gehört oder viel mit ihnen zu tun hat, wird Klagen über die vielfältigen Konflikte, Missverständnisse oder auch ernsthaften Zerwürfnisse, die sich zwischen Hochsensiblen und ihren nicht hochsensiblen Mitmenschen ergeben, zur Genüge kennen.

Insofern besteht für Ulrike Hensels Praxisbuch Hochsensible Mitmenschen besser verstehen eindeutig Bedarf. Die etwa 20 Prozent Hochsensiblen, die es in der Gesellschaft gibt, sind dauerhaft „anders“, die Dissonanzen, die sich zwischen den beiden Gruppen ergeben, also grundsätzlicher Art. Wenn sie nicht wahrgenommen, akzeptiert und bearbeitet werden, führen sie nahezu zwangsläufig zu dauerhaften Störungen im Kontakt zwischen Hochsensiblen und ihren Mitmenschen.

Das Buch bietet Unterstützung für Partner, Familienangehörige, Freunde, Kollegen und Vorgesetzte erwachsener hochsensibler Personen – im Buch „HSP“ genannt. Es profitiert davon, dass die Autorin selbst hochsensibel ist und zugleich als Coach und Sachbuchautorin über vielfältige Erfahrungen mit Hochsensiblen verfügt.

Offen, nicht urteilend begegnen

Als Basis für einen gelingenden Austausch zwischen HSP und ihren Mitmenschen bezieht sich Hensel auf das Beziehungsmodell von Carl Rogers – mit den Säulen Wertschätzung, Authentizität und empathisches Verstehen – sowie das Kommunikationsmodell von Gordon (Familienkonferenz) und Rosenbergs gewaltfreie Kommunikation. Gemeinsam ist den drei Ansätzen, dass sie die Notwendigkeit eines offenen, respektvollen, nicht urteilenden Umgangs mit Andersartigkeit postulieren.

Das führt, wie die Autorin anhand von Beispielen darlegt, in Familien von HSP zu anderen Konsequenzen als beispielsweise im Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Vorgesetzten. Löst doch das Bedürfnis nach viel Zeit und Rückzugsraum für sich selbst, das viele HSP haben, in familiären oder partnerschaftlichen Konstellationen andere (emotionale) Reaktionen aus als beispielsweise in einer Firma mit Großraumbüros – und erfordert entsprechend unterschiedliche Lösungen.

In all diesen Punkten argumentiert Hensel präzise, differenziert und realistisch. Die Autorin vertritt die speziellen Anliegen von HSP als berechtigt, ohne diese zu idealisieren – und ruft zugleich beide Gruppen zu Ehrlichkeit und Selbstverantwortung auf.

Pragmatismus kann helfen

Nachdrücklich weist Hensel auch darauf hin, dass manchmal schlicht-praktische Lösungen am ehesten helfen: Um beispielsweise der ausgeprägten Geräuschempfindlichkeit von vielen HSP Rechnung zu tragen, wäre die Möglichkeit von Homeoffice, zumindest tageweise, zu prüfen. Und damit Familienfeiern für HSP nicht zur Qual werden, reicht es oft schon, dass diese sich vielleicht schon nach zwei Stunden zurückziehen „dürfen“.

Hensels Ausführungen sind engagiert und zugleich sachlich-nüchtern. Ihr Bemühen um einen wertschätzenden Umgang, der sowohl den HSP wie deren Mitmenschen gerecht wird, überzeugt.

Ulrike Hensel: Hochsensible Mitmenschen besser verstehen. Unterstützung für Partner, Familienangehörige, Freunde, Kollegen und Vorgesetzte. Junfermann, Paderborn 2018, 196 S., € 20,–

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 9/2018: Die Kraft des Verzeihens
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