Hochsensibilität: Definition, Diagnose und Tipps

Helles Licht, Lärm, große Menschenmengen - hochsensible Menschen reagieren empfindlicher auf Reize. Aber was ist Hochsensibilität überhaupt?

Eine Frau mit braunen, langen Haaren blickt nachdenklich durch eine Glasscheibe. Darin spiegelt sich die Umgebung.
Hochsensible Menschen haben sehr feine Antennen, oft erleben sie Reize viel stärker und brauchen mehr Auszeiten für sich. © Westend61/Getty Images

Was bedeutet Hochsensibilität?

Manche Menschen erleben die Welt um sich herum besonders intensiv. Sie haben außergewöhnlich feine Antennen für die Stimmungen ihrer Mitmenschen, bemerken mehr Details als andere und reagieren empfindlicher auf die Reize, die tagtäglich auf uns einprasseln. Grelles Licht, Gerüche, Krach und Gedränge machen ihnen zu schaffen. Auch innere Empfindungen wie Hunger, Harndrang, Aufregung oder Wut spüren sie besonders stark. Sie fühlen sich bei Lärm und Unruhe schnell überfordert, meiden Festivals und Rummelplätze, sind anfangs zurückhaltend und brauchen Zeit, um sich auf Neues einzustellen.

Nach einem Tag voller Sightseeing gehen sie beispielsweise am Abend ungern noch feiern, sondern ziehen sich lieber auf ihr Hotelzimmer zurück, genießen die Ruhe und nehmen sich die Zeit, das Erlebte zu verarbeiten. Die US-amerikanische Psychologin Elaine Aron gab diesen Menschen Mitte der 1990er Jahre einen Namen: Hochsensible.

Sie selbst war nach einer Operation im Jahr 1987 psychisch stark mitgenommen gewesen. Die Psychotherapeutin, die sie deshalb konsultierte, konnte jedoch keine psychische Erkrankung feststellen und nannte Aron schlicht „hochsensibel“ – nichtsahnend, dass sie ihr damit die Idee für ein Forschungsfeld lieferte. Aron schliff in den darauffolgenden Jahren an ihrem Konzept und testete es schließlich an Versuchspersonen. Ihre 1997 veröffentlichte Studienreihe legte den Grundstein für die Erforschung der Hochsensibilität.

Der Begriff Hochsensibilität gibt vielen Betroffenen Halt. Er hilft ihnen, sich selbst zu verstehen, anderen ihre Bedürfnisse zu verdeutlichen und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Hochsensible Menschen weinen schneller, werden häufig aus dem Nichts von starken Gefühlen übermannt und bewegende Filme hallen in ihnen länger nach als in anderen. Sie sind außerdem oft lichtempfindlich – Licht erscheint ihnen besonders schnell grell –, vertragen weniger Alkohol und brauchen viel Zeit für sich allein. Hochsensible Personen berichten von besonders lebendigen Träumen und leben oft lieber auf dem Land als in der Stadt. Das ermittelte Aron, indem sie hunderten Versuchspersonen ihren eigens erdachten Hochsensibilitätsfragebogen und eine Reihe anderer Fragen beantworten ließ.

Ähnliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass Hochsensible über eine starke Vorstellungskraft und Empathie verfügen.

Definition Hochsensibilität

In der Fachliteratur wird Hochsensibilität meist als grundlegende Charaktereigenschaft beschrieben: Hochsensible Menschen sprechen auf innere und äußere Reize stärker an und zeigen häufig eine sogenannte Verhaltenshemmung – die Neigung, sich zurückzuziehen und unbekannte Situationen zu meiden. Dahinter vermuten Forschende eine besondere Verarbeitung von Sinnesreizen, die zu einer höheren Empfindsamkeit führt – in Fachkreisen „sensory processing sensitivity“ genannt.

Unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird Hochsensibilität kontrovers diskutiert. Die meisten sind sich zwar einig, dass es Menschen gibt, die sensibler auf Erlebtes reagieren und schneller an Reizüberflutung leiden als andere, – es bleibt aber ein Streitthema, ob Hochsensibilität das beste Konzept ist, um dieses Phänomen zu fassen. Einige Fachleute halten es vielmehr für eine Spielart des Neurotizismus, einem etablierten Persönlichkeitsmerkmal zur Erfassung von Empfindlichkeit und emotionaler Labilität.

Unter dem Begriff Hochsensibilität würden zudem zu viele Dinge vermengt, so ein verbreiteter Kritikpunkt, etwa die Empfänglichkeit für Kunst und Musik mit einem Unbehagen gegenüber intensiven Reizen. Zudem ist die Forschungslage für eine abschließende Beurteilung noch zu dünn. Eine Vielzahl der Studien stammt noch immer von der Erfinderin des Begriffs Hochsensibilität selbst, Elaine Aron.

Die Diagnose – Hochsensibilität erkennen

Da sich Expertinnen und Experten noch nicht einmal einig sind, was Hochsensibilität genau ausmacht, ist auch nicht ganz klar, wer betroffen ist und wer nicht. Nur ein Teil der Forschenden hält Hochsensibilität für ein distinktes Merkmal, glaubt also, dass jemand entweder eindeutig hochsensibel ist oder nicht. Inzwischen gehen immer mehr Expertinnen davon aus, dass es gar keine scharfe Trennlinie zwischen normaler Sensibilität und Hochsensibilität gibt: Ihnen zufolge bewegt sich jeder von uns irgendwo auf dem Sensibilitäts-Spektrum. Die meisten befinden sich dabei wohl in der Mitte, manche sind besonders sensibel und andere kaum.

Nach dieser Auffassung ist Hochsensibilität keine Kategorie für sich, sondern eher das obere Ende einer Skala. Um Personen auf dieser zu verorten, setzen Psychologinnen und Psychologen Fragebögen ein. Einige Fachleute glauben, dass man Hochsensibilität eines Tages mit physiologischen Messungen feststellen kann, die direkt zeigen, wie sensibel jemand auf Reize reagiert. Ob sich überhaupt objektive Anzeichen für Hochsensibilität ermitteln lassen, ist allerdings nach wie vor noch unklar.

Hochsensibilität Test: HSP-Skala

Die Highly Sensitive Person Scale war der erste und bleibt bislang der wichtigste Fragebogen auf dem Gebiet. Elaine Aron stellte ihn 1997 vor und legte damit den Grundstein für die Erforschung der Hochsensibilität. Entstanden ist der Fragenkatalog aus Interviews mit Studierenden und Künstlern, die sich selbst als höchst empfindlich beschrieben. Trotz dieser etwas wackligen Basis erfüllt die Skala die Mindestanforderungen an einen psychologischen Test: Sie misst, was sie soll, tut das ausreichend genau und Menschen, die eine Aussage des Bogens bejahen, stimmen mit hoher Wahrscheinlichkeit auch den anderen zu.

Als Richtwert gibt Aron an: Wer bei dem Test mehr als 14 der Aussagen zustimmt, ist wahrscheinlich hochsensibel. Da es sich bei der Sensibilität jedoch wahrscheinlich um ein Konzept mit fließenden Übergängen handelt, ist die Trennlinie zwischen sensibel und hochsensibel nicht scharf zu ziehen. Der Test dient lediglich als Anhaltspunkt:

  • Ich lasse mich leicht von starken Sinneseindrücken überwältigen.

  • Ich nehme in meiner Umgebung viele Feinheiten wahr.

  • Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen mich.

  • Ich neige zu Schmerzempfindlichkeit.

  • Ich habe das Bedürfnis, mich an anstrengenden Tagen ins Bett, einen abgedunkelten Raum oder an einen anderen Ort zurückzuziehen, wo ich mich von Reizen erholen kann.

  • Ich reagiere besonders empfindlich auf die Wirkung von Koffein.

  • Ich bin leicht überwältigt von Dingen wie hellem Licht, starken Gerüchen, groben Stoffen oder Sirenen.

  • Ich habe ein reiches, komplexes Innenleben.

  • Ich fühle mich bei lauten Geräuschen unwohl.

  • Kunst oder Musik berühren mich tief.

  • Meine Nerven sind manchmal so gereizt, dass ich mich der Situation entziehen muss.

  • Ich bin sehr gewissenhaft.

  • Ich erschrecke leicht.

  • Ich werde unruhig, wenn ich viel zu tun und wenig Zeit dafür habe.

  • Wenn sich Menschen an einem Ort unwohl fühlen, weiß ich, was zu tun ist, um ihn für sie angenehmer zu gestalten (zum Beispiel die Beleuchtung oder die Sitzordnung ändern).

  • Es nervt mich, wenn man versucht, mir zu viele Dinge auf einmal zuzumuten.

  • Ich bemühe mich, keine Fehler zu machen oder Dinge zu vergessen.

  • Ich meide gewalttätige Filme und Fernsehsendungen.

  • Ich werde unangenehm erregt, wenn um mich herum viel los ist.

  • Großer Hunger löst bei mir eine starke Reaktion aus, die meine Konzentration oder Stimmung stört.

  • Veränderungen in meinem Leben wühlen mich auf.

  • Ich nehme zarte oder feine Düfte, Geschmäcker, Klänge, Kunstwerke wahr und genieße sie.

  • Ich finde es unangenehm, wenn viel auf einmal los ist.

  • Ich lege großen Wert darauf, mein Leben so zu gestalten, dass ich aufregende oder überwältigende Situationen vermeide.

  • Intensive Reize wie laute Geräusche oder chaotische Szenen stören mich.

  • Wenn ich mit anderen konkurrieren muss oder bei der Ausführung einer Aufgabe beobachtet werde, werde ich so nervös oder zittrig, dass ich viel schlechter abschneide als sonst.

  • Als ich ein Kind war, betrachteten meine Eltern oder Lehrer mich als sensibel oder schüchtern.

Big Five Persönlichkeitstest

Manche Experten für Persönlichkeitspsychologie, zum Beispiel Jens Asendorpf, glauben, dass sich hochsensible Charaktere hinreichend mit den Big Five erfassen lassen. Kritiker des Hochsensibilität-Konzepts wie er behaupten sogar, „hochsensibel“ sei nur eine schmeichelhaftere Umschreibung für „neurotisch“. Anders als mit dem Begriff „neurotisch“ könne man sich mit „hochsensibel“ schmücken.

Die sogenannten Big Five sind die in der Forschung am besten gesicherten fünf Kernmerkmale des Charakters. Sie werden mit dem NEO-Fünf-Faktoren-Inventar-Fragebogen (kurz NEO-FFI) gemessen. Um eine Person zu charakterisieren, kann man aus den Ausprägungen dieser fünf Dimensionen ein Profil erstellen. Die fünf Faktoren setzen sich wiederum jeweils aus sechs Facetten zusammen:

  1. Extraversion (vs. Introversion): Herzlichkeit, Geselligkeit, Durchsetzungskraft, Aktivität, Erlebnishunger, Fröhlichkeit

  2. Neurotizismus: Ängstlichkeit, Depressivität, Zorn, Impulsivität, Unsicherheit, emotionale Verletzlichkeit

  3. Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen: Fantasie, Abenteuerlust, Emotionalität, Freiheitsliebe, Aufgeschlossenheit gegenüber Ideen und Kunst

  4. Verträglichkeit: Vertrauen, Ehrlichkeit, Bescheidenheit, Altruismus, Kooperation, Mitgefühl

  5. Gewissenhaftigkeit: Ordnungsliebe, Pflichtbewusstsein, Leistungsbereitschaft, Disziplin, Besonnenheit, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Tatsächlich hat Hochsensibilität unter den Big Five die größten Überschneidungen mit Neurotizismus, sprich emotionaler Labilität. Das ergab eine statistische Analyse des Forschungsstands von italienischen und britischen Forschenden, die 2019 erschien. Auch zeigte die Untersuchung, dass Hochsensible etwas offener für neue Erfahrungen sind als andere Menschen.

Sie sind aber nicht mehr oder weniger verträglich oder gewissenhaft als der Durchschnitt. Dachte man früher noch, Hochsensible seien automatisch introvertiert, sprechen neuere Analysen wie die von 2019 dagegen. Unter Hochsensiblen gibt es allem Anschein nach sowohl Introvertierte als auch Extravertierte.

Wie viele hochsensible Menschen gibt es?

Zur Häufigkeit von Hochsensibilität gibt es verschiedene Schätzungen. Je nach Erhebung rangieren 10 bis 30 Prozent der Menschen am oberen Ende der Hochsensibilitäts-Skala. Der Persönlichkeitspsychologe Philipp Yorck Herzberg von der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg geht davon aus, dass sich aufgrund der Beliebtheit des Begriffs einige als hochsensibel identifizieren, die es gar nicht sind. Er verweist darauf, dass Überforderung im Alltag auch andere Ursachen haben kann.

In vielen Erhebungen zeigen mehr Frauen als Männer Kennzeichen von Hochsensibilität. Warum das so ist, ist allerdings noch unklar. Es könnte ein Hinweis darauf sein, dass Hochsensibilität biologischen Merkmalen entstammt. So könnten bestimmte hormonelle Einflüsse Hochsensibilität begünstigen. Der Geschlechterunterschied könnte aber auch in erlernten Rollenbildern wurzeln. Nach denen gelten Frauen immer noch als feinfühliger und emotionaler. Sensibel zu sein widerspricht dem vermeintlichen Idealbild des starken Mannes, sodass Männer ihre empfindsame Seite womöglich eher verstecken. Betroffenen Männern fällt der Umgang mit ihrer Hochsensibilität deshalb oft schwerer als Frauen.

Wodurch wird Hochsensibilität verursacht?

Die Quelle der besonderen Empfindsamkeit für innere und äußere Einflüsse scheint eine spezielle Reizverarbeitung zu sein. Allerdings gibt es noch kaum Experimente, die ergründet haben, an welcher Stelle der Reizverarbeitung die Besonderheit liegt. Direkt an den Sinnesorganen wie Augen und Ohren? Auf der Ebene des Thalamus, jener Region im Zwischenhirn, die alle Sinneseindrücke passieren müssen, die ins Bewusstsein gelangen? Oder noch eine Stufe höher, wenn es im Gehirn darum geht, Reize mental einzuordnen und zu bewerten?

Es gibt jedoch erste Befunde, die darauf hindeuten, dass Hochsensibilität auf einer höheren Verarbeitungsebene verursacht wird, also eher psychologischer als physiologischer Natur ist: Hochsensible berichten häufig, dass sie Signale aus dem Körperinneren besonders intensiv wahrnehmen. Christina Blach und Josef Egger von der Medizinischen Universität Graz gingen 2014 der Frage nach, ob Hochsensible innere Reize tatsächlich besser detektieren können. Dafür untersuchten sie ein wichtiges Kennzeichen der Körperwahrnehmung, das Gefühl für den eigenen Herzschlag.

Das Ergebnis: Hochsensible konnten ihren Puls nicht präziser wahrnehmen als andere Probanden und reagierten körperlich auch nicht stärker auf akuten Stress. Vielmehr zeigte sich, dass hochsensible Menschen Reize besonders schnell als bedrohlich bewerteten. Womöglich erscheinen sie ihnen dadurch so intensiv.

Ist Hochsensibilität angeboren?

Auch hierüber streiten sich Fachleute. Eine Fraktion hält Hochsensibilität für ein angeborenes Temperament. So lassen sich schon bei Babys Unterschiede darin feststellen, wie stark sie auf Reize reagieren, etwa wie schnell Lichter und Geräusche sie zum Weinen bringen. Andere Expertinnen sehen in der Hochsensibilität eher eine Persönlichkeitsfacette, die sowohl durch die Gene geprägt wird, als auch durch die Erfahrungen, die man im Laufe des Lebens macht.

Kann Hochsensibilität abgelegt werden?

Hochsensibilität lässt sich nicht abtrainieren. Oft lässt sich aber der Alltag so umgestalten, dass er besser zu einer sensiblen Person passt, etwa durch mehr Ruhepausen, Home-Office statt Großraumbüro oder einen Umzug aufs Land.

Manche Hochsensible hadern mit ihrer Empfindsamkeit, fühlen sich weniger belastbar als andere und fragen sich, ob etwas mit ihnen nicht stimmt. Dabei bringt die besondere Feinfühligkeit auch einige Vorteile mit sich. Nicht nur negative, auch positive Momente erleben Hochsensible intensiver. Sie sind empfänglicher für Schönheit und Tiefgang. Unter den richtigen Umständen können sie ihre Stärken entfalten: musisches Talent, Einfühlungsvermögen oder einen scharfen Blick für Details. Von manchen Wissenschaftlern werden hochsensible Menschen deshalb mit Orchideen verglichen. Stimmen Temperatur und Feuchtigkeit nicht, gehen die empfindlichen Blumen schnell ein. Unter idealen Bedingungen blühen sie dafür umso prächtiger.

Ausprägungen von Hochsensibilität

Nicht alle Hochsensiblen sind gleich. Statistische Auswertungen der Highly Sensitive Person Scale förderten drei Facetten der Hochsensibilität zutage. Manche Hochsensible sind demnach besonders erregbar oder sensibel gegenüber Reizen, bei anderen äußert sich die Hochsensibilität vor allem in einem feinen ästhetischen Empfinden.

Geringe sensorische Reizschwelle

Bei Menschen mit einer niedrigen Reizschwelle ist die Alarmanlage der Sinne besonders scharf gestellt. In einer lauten oder chaotischen Umgebung kommt leicht Unbehagen auf. Auch ein kratziger Pulli oder überwürztes Essen werden ihnen schnell zu viel.

Leichte Erregbarkeit

Wer leicht erregbar ist, lässt sich schnell anstecken: von der Stimmung der Mitmenschen oder einer unruhigen Atmosphäre. Leicht erregbare Menschen geraten schnell in Stress, etwa unter Zeitdruck, beim Multitasking oder wenn Veränderungen anstehen. Sie lassen sich einfacher aus der Ruhe bringen als andere; zum Beispiel schneiden sie bei einer Aufgabe schlechter ab, wenn sie beobachtet werden.

Ästhetische Sensitivität

Bei manchen zeigt sich die Hochsensibilität vor allem in einem Blick fürs Detail und einem besonderen Gespür für Schönheit und Tiefsinn. Diese Menschen nehmen zum Beispiel feine Duft- und Geschmacksnoten wahr, bemerken kleinste Veränderungen in ihrer Umgebung und sind tief bewegt von Kunst, Musik, Filmen oder ergreifenden Landschaften.

Weitere Fragen und Antworten zu Hochsensibilität

Ist Hochsensbilität eine Erkrankung?

Hochsensibilität ist nach dem aktuellen Forschungsstand am ehesten eine Art Charaktervariante, auch wenn Fachleute darüber streiten, wie sinnvoll das Konzept überhaupt ist. Als Krankheit gilt Hochsensibilität jedoch eindeutig nicht. Es gibt allerdings Störungen, denen – wie auch bei der Hochsensibilität vermutet – eine besondere Reizverarbeitung zugrunde liegt. Dazu gehören das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) oder die Autismus-Spektrum-Störung. Diese führen allerdings oft zu einschneidenderen Einschränkungen für die Betroffenen und verursachen meist bedeutsames Leid. Obwohl auch Hochsensible zuweilen mit ihrer Empfindsamkeit hadern, ist diese nicht pathologisch. Mit dem Wissen über sich und seine Bedürfnisse lassen sich die Lebensbedingungen nämlich in vielen Fällen passender gestalten und die Vorteile der Hochsensibilität genießen.

Für Psychologen und Psychiaterinnen kann Hochsensibilität jedoch trotzdem relevant sein. Für Behandlerinnen und Behandler ist es mitunter nützlich zu wissen, ob ein Patient, der mit einer Depression, Ängsten oder einer anderen Erkrankung zu ihnen kommt, gleichzeitig hochsensibel ist. Die Hochsensibilität kann nämlich einen Stressfaktor darstellen und ist somit wichtig für die Therapie.

Welche Berufe sind für Hochsensible geeignet?

Weil hochsensible Menschen einen besonderen Sinn für Ästhetik haben, brillieren sie zum Beispiel oft in kreativen Berufen. Als Musikerinnen, Künstler, Drehbuchautoren, Grafikerinnen oder Goldschmiede können sie ihre Talente ausleben. Wichtig dabei: Hochsensible Menschen sollten sich im Job wertgeschätzt fühlen und brauchen immer wieder Gelegenheiten, sich zurückzuziehen. Daher kommen ihnen flexible Arbeitszeiten besonders zugute oder die Möglichkeit, teilweise von zuhause zu arbeiten. Hektische Großraumbüros und cholerische Chefinnen belasten Hochsensible dagegen besonders.

Durch ihr Einfühlungsvermögen haben sie zudem gute Voraussetzungen für einen sozialen Beruf, etwa den der Pädagogin oder des Psychotherapeuten. Allerdings müssen sie dabei besonders auf ihre Grenzen achten. Forschende der Universität Sevilla haben 2021 Lehrkräfte und Krankenhauspersonal untersucht. Die Studie hat gezeigt, dass Hochsensible mitunter gefährdeter für ein Burnout sind.

Wie erkenne ich, ob mein Kind hochsensibel ist?

Bei Kindern können verschiedene Verhaltensweisen auf Hochsensibilität hindeuten, etwa eine ungewöhnlich starke Aversion gegen bestimmte Lebensmittel oder Materialien. Wenn sie bei den kleinsten Geräuschen aufwachen, sich bei Lärm die Ohren zuhalten oder Berührungen vermeiden, könnte ebenfalls Hochsensibilität vorliegen. All das kommt aber auch hin und wieder bei durchschnittlich sensiblen Kindern vor oder kann ein Hinweis auf ein anderes Problem sein.

Beim Verdacht, dass Ihr Kind unter einer ungewöhnlichen Reizempfindlichkeit leidet, sollten Sie sich an eine kompetente Kinderärztin oder einen Psychologen wenden. Die unbedenkliche Hochsensibilität muss von Störungen, die sich teilweise ähnlich äußern, unterschieden werden, etwa der Autismus-Spektrum-Störung oder dem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom ADHS.

Drei Tipps: So können Sie mit Hochsensbilität umgehen

1. Annehmen statt verbiegen

Wir alle sind unterschiedlich und das ist gut so. Wenn Sie stets gegen Ihren Charakter ankämpfen – etwa weil dickfellige Draufgängerinnen ein besseres Image genießen als verträumte Sensibelchen – setzen Sie sich zusätzlich unter Stress. Die eigenen Eigenheiten, Vorlieben, Stärken und Schwächen zu kennen, ist der erste Schritt in Richtung Akzeptanz. Nur wer sich annimmt und gut auf sich Acht gibt, kann sich ein Leben aufbauen, das zu ihm oder ihr passt.

2. Raus ins Grüne

Empfindsame Menschen fühlen sich besonders im urbanen Chaos von Großstädten schnell überfordert. Ein Gegenmittel kann ein Aufenthalt in der Natur sein – am besten ohne Kopfhörer und andere Ablenkungen. Viele Hochsensible berichten, dass ihnen das hilft, sich vom anstrengenden Alltag zu erholen.

3. In Bewegung kommen

Hochsensible sind stressanfälliger als andere. Eine der besten Methoden, Stress abzubauen, ist Sport. Feinfühligen Menschen ist ein überfülltes Fitnessstudio aber oft zu viel. Besser eignet sich eine Walking- oder Laufrunde im Wald oder ein entspannendes Training wie Yoga.

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