Menschen, die an Demenz erkranken, können sich oft länger und deutlicher an Ereignisse und Eindrücke aus ihrer frühen Kindheit erinnern als an ihre späteren Lebensjahre. Forschende gingen unlängst in Glasgow der Frage nach, was das für zwei- und mehrsprachige Demenzkranke bedeuten kann, deren Muttersprache eine andere ist als die, in der sie als alte Menschen leben.
Vor allem ging es um Menschen in Großbritannien, die als Kind Gälisch oder Walisisch gesprochen hatten und erst später Englisch lernten. Ausgangspunkt für den Workshop, an dem neben Pflege- und Demenzexperten auch Übersetzer, Schriftsteller und Schauspieler teilnahmen, war ein Theaterstück, in dem sich eine demenzkranke alte Frau immer weiter in die Vergangenheit und ihre Muttersprache Gälisch zurückzieht und sich so nicht mehr mit ihrem Mann und ihren Kindern verständigen kann.
Umfragen unter Pflegepersonal in Irland, Schottland und Wales haben ergeben, dass eine solche Rückkehr zur Sprache der Kindheit tatsächlich häufig geschieht. Patienten, die auf Englisch nahezu verstummt waren, fanden oft wieder Zugang zu Sprache und auch zu Erinnerungen, wenn sie ihre Muttersprache hörten; besonders stark reagierten sie auf Lieder ihrer Kindheit.
In einer Welt, in der die Anzahl der zwei- und mehrsprachigen Menschen rapide steigt, ist es von Bedeutung, die aktive Nutzung von mehr als einer Sprache als „kognitive Reserve“ zu verstehen und dies im Kontext von Demenz zu nutzen. Offensichtlich relevant sind solche Überlegungen für die Versorgung von Migranten, die vor langer Zeit eingewandert sind und im Land ihrer Zweitsprache alt werden. Oder aber auch von Demenzkranken, deren erste Sprache nicht Hochdeutsch war, sondern – beispielsweise – Fränkisch oder Plattdeutsch.
Quelle
David Murphy et al.: Bilingualism and dementia: How some patients lose their second language and rediscover their first, 2019, 2, 81-83.