Anlässe für Unzufriedenheit mit der Politik gibt es viele. Unseren Ärger über Politikerinnen und Politiker können wir in der Familie, im Kollegenkreis oder am sprichwörtlichen Stammtisch loswerden. Noch befriedigender sind – je nach Anspruchsniveau – Büttenreden, Politikerwitze oder bissige Satire.
Manche Menschen bevorzugen soziale Medien mit asozialen Inhalten, gewürzt mit Pauschalisierung, Verachtung, Menschenfeindlichkeit und Hass als Kontrast zu klassischer politischer Kommunikation. Populisten vereinnahmen die verbreitete Unzufriedenheit mit drastischen Hinweisen auf Fehlentwicklungen und Machtmissbrauch, mit vereinfachend erklärenden Slogans für komplexe Problemlagen, mit Fakenews und mit Social-Media-Vorbildern moralischer Hemmungslosigkeit.
Verhindert herabsetzender Humor Protest?
Die Reaktionen des Publikums reichen von bewundernder Anerkennung für pfiffig-satirische Wortspiele über schenkelklopfende Begeisterung für Stammtischparolen bis hin zu klammheimlicher Schadenfreude über vulgäre Politikerbeschimpfungen und menschenverachtenden Humor – und nur in extrem unappetitlichen Fällen bis hin zu Ekelreaktionen, wenn beispielsweise Kriegsverbrechen und Vergewaltigungen als unvermeidlich verharmlost werden.
Die politisch-psychologische Forschung konnte noch nicht endgültig klären, inwieweit herabsetzender Humor negative Haltungen gegenüber Politikern verstärkt oder aber als Ventil für Unzufriedenheiten dient und sogar Protestpotenzial abbaut. Beides ist nämlich möglich, es kommt auf die Dosierung an, aber auch auf die Grundhaltung der Adressaten. Autoritäre Systeme unterscheiden sich darin, ob sie in panischen Selbstzweifeln jede Kritik als Zersetzungspotenzial rabiat unterdrücken oder aber politisches Kabarett – wenn auch mit intensiver Zensur – als Unzufriedenheitsventil nutzen.
Populismus hat Folgen – sozial wie politisch
In etablierten Demokratien haben Populisten keine Chance? Das hatte man in den USA und Großbritannien auch gedacht. Brasilien, Polen und Ungarn hatte man für resilient gehalten! Trump, Berlusconi und Johnson werden nicht mehr belustigt als Politclowns verharmlost, seit sie Mehrheiten errungen, Gesellschaften gespalten und Zerreißproben für Staatengemeinschaften provoziert haben. Hassmedien, Populismus und deren Verquickung dürfen auch bei uns nicht mehr achselzuckend bagatellisiert werden.
Man kann sich wie im Kindergarten über Kraft- und Fäkalausdrücke amüsieren, geschliffene Rhetorik bewundern, die unfreiwillige Satire von naiven Ethno- und Egozentrikern belächeln und die Fantasiewelt „alternativer Fakten“ bestaunen, aber man darf die Augen vor den sozialen und politischen Kosten des gepflegten Populismus nicht verschließen: Verrohung der Alltagssprache, Spaltung der Gesellschaft in geradlinig und verquer Denkende, krude Verschwörungsfantasien, Simplifizierung von Weltbildern, Schwarz-Weiß-Malerei, Bildungs- und Wissenschaftsfeindlichkeit. Populismus hat es verdient, ernst genommen zu werden!
Siegfried Preiser ist Rektor der Psychologischen Hochschule Berlin, Professor für lebenslanges Lernen und Vorstandsmitglied der Sektion Politische Psychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen.