Es sind inzwischen fast zwei Jahre seit dem Beginn der Pandemie vergangen. Was mich an Covid nervt? Natürlich, dass es das überhaupt gibt. Dass man überall mit Maske rumlaufen muss und sogar anfängt, das für normal zu halten. Dass das Reisen erschwert ist, persönliche Kontakte zu Freundinnen und Freunden, Familie, Kolleginnen, passionierten Hobbypartnern eingeschränkt sind, man ein G, zwei G, drei oder gar vier G vorlegen muss, wenn man essen gehen, an Veranstaltungen teilnehmen oder in ein Land einreisen will. Und dass man auf einmal Angst hat, ja, auch im Alltäglichen. Vor allem, dass es offenbar kein Enddatum gibt für diese emotionale und gedankliche Kurzatmigkeit.
Was noch nervt: die Panikmache, die Unbelehrbaren, die Verschwörungstheorien, die passionierten Impfgegnerinnen, aber auch das Gejammer, was Zuhausebleiben, Homeoffice und Schulschließungen mit uns und der neuen Generation tun, die man vielleicht bald schon „Generation Covid“ nennen muss – für immer und ewig psychologischen Narben ausgesetzt. Ja, ich mache mir Sorgen, dass meine Töchter weniger Möglichkeiten haben. Ja, ich mache mir Sorgen um das wirtschaftliche Gefüge unseres Staates und seiner Individuen und vor allem um die, denen es ohnehin schon schlechter ging, bevor das alles so überraschend anfing.
Besonders aber befremdet mich, wie viele Menschen die Krise schlicht ignorieren und es sich einfach machen. Etlichen scheint es egal zu sein, mit welchem Einsatz sich Politikerinnen und Politiker, Ärztinnen und Pflegekräfte und viele andere darum bemühen, dass wir nicht noch viele zehntausend weitere Menschen verlieren, dass unser Gesundheitssystem nicht unter der Covidlast zusammenbricht und dass möglichst wenige Menschen neurologische und psychologische Folge- oder gar Langzeitschäden erleiden.
Positiv an Schwieriges heranzugehen
Offenbar denken zu wenige darüber nach: Was wäre passiert, hätte es die so unbeliebten Masken- und Abstandsverpflichtungen oder die Kontaktbeschränkungen nicht gegeben? Was ist mit denen, die ein schlechtes Gewissen hatten, weil sie im Winter aus Angst Verwandte oder Bekannte nicht einluden, die Kontaktbeschränkungen für überflüssig hielten und nicht bereit waren, in Innenräumen Masken zu tragen?
Wie ginge es uns jetzt, hätte die Wissenschaft keine Impfstoffe zu unserem Schutz entwickelt? Wie würden wir uns fühlen, wenn noch erheblich mehr Menschen gestorben wären oder unter Folgeschäden leiden müssten? Wie fühlen wir uns jetzt damit, gegen penible Hygienemaßnahmen, Impfung und Schutz vieler anderer anzugehen?
Resilienz bedeutet Widerstandskraft – aber im Sinne einer Elastizität. Das heißt, hinzusehen, aber auch abzuwägen. Das heißt, aus Krisen bewusst zu lernen, also positiv an Schwieriges heranzugehen, statt schimpfend seine Verschnupftheit (vorzüglich ohne Maske) vor sich herzutragen und außer Acht zu lassen, was eben auch infolge der Pandemie auf dem Spiel steht – sei es vielleicht auch nicht für den Einzelnen, der sich gerade mal wieder kraftvoll über Schutzmaßnahmen aller Art echauffiert.
Christoph Correll ist Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters an der Universitätsklinik Charité in Berlin.