Sinnsuche in Indien

Die spirituelle Lehrerin Sadhvi Bhagawati Saraswati über die Sinnsuche westlicher Yogaschüler und den Reiseboom nach Indien.

Die Grafik zeigt ein Mandala
Immer mehr Menschen interessieren sich für östliche Spiritualität und Traditionen. © tanyabosyk/Shutterstock

Sadhvi Bhagawati Saraswati, die Anzahl ausländischer Besucher in Indien steigt Jahr für Jahr. Warum reisen heutzutage so viele Leute in das Land?

Viele Menschen erreichen und besitzen zunehmend mehr. Gleichzeitig geht es vielen aber auch immer schlechter. Ich glaube nicht, dass wir bloß immer besser diagnostizieren, sondern dass die Anzahl der Depressionen, Schlafstörungen, Angststörungen und Suchterkrankungen tatsächlich zunimmt. Die Leute haben schon viel ausprobiert, um sich vom Jetzt abzulenken: Es könnte Essen sein, Einkaufen, Sex, der Besuch von Bars und Clubs oder auch Facebook. Doch solche Ablenkungen sind höchstens von kurzer Dauer.

Immer mehr Menschen interessieren sich deshalb für die Antworten indischer Traditionen und östlicher Spiritualität auf ihre Lebensfragen und ihr Leiden. Indien ist natürlich als Land spiritueller Weisheit bekannt, und das gilt insbesondere für Rishikesh als Geburtsstätte des Yoga.

Sie leben hier nun schon seit 22 Jahren. Haben sich die Besucher in dieser Zeit verändert?

Es gibt tatsächlich eine Veränderung. Die Mehrheit der Besucher sind keine Hippies mehr oder Menschen, die ihrem Heimatland so lange wie möglich fernbleiben wollen. Menschen aller Lebenswege und jeden Alters kommen hierher. Auch erfolgreiche Menschen, weil sie die Erfahrungen machen, dass es ihnen trotz des äußeren Erfolgs innerlich nicht gutgeht.

Früher suchten die Menschen vor allem nach einer alternativen Außenwelt. Heute suchen sie vermehrt nach einer Alternative im Inneren: einem Leben ohne Leiden, Depression, Angst, Sucht oder Schlaflosigkeit. Diese Menschen wissen, dass sie eine tiefere Verbindung zu ihrer inneren Wahrheit brauchen, um verändert in ihre Heimat zurückzukehren.

Ist es das, wonach sie hier in Indien im Yoga suchen?

Das hängt davon ab, wie man Yoga definiert. Wenn es nur um die Körperhaltungen geht, dann nein, kommen sie eher nicht deswegen. Diese kann man inzwischen überall auf der Welt lernen. Aber wenn es um die volle Bedeutung geht, im Sinne von Yoga als Verbindung, dann ist die Antwort ja.

Denken Sie an Patanjalis achtgliedrigen Yoga. [Das Yogasutra von Patanjali ist das älteste zurzeit bekannte System, auf das sich viele Lehrer berufen, Anm. der Red.] Es geht nicht nur um das, was wir auf der Yogamatte tun. Das ist Asana, das dritte Glied. Yoga ist eine Lebensweise. Ob Meditation – auch eines der acht Glieder –, Asanas oder Lebensphilosophie: Die Leute wollen im Inneren berührt werden.

Das komplette Interview mit Sadhvi Bhagawati Saraswati lesen Sie in unserem aktuellen Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Yoga, Meditation, Achtsamkeit: Was die drei Lehren ausmacht und wie wir sie für unseren Alltag nutzen können.

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute Compact 60: Yoga, Meditation, Achtsamkeit
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