Wer praktisch einen Schritt in den Yogaunterricht wagt, dem stellt sich erst einmal die Frage, ob er über einen Sportverein, den Fitnessclub oder ein spezialisiertes Yogastudio Bekanntschaft damit macht. Wie herausfordernd sind die Körperübungen? Liegt der Schwerpunkt auf der äußeren Form oder der inneren Erfahrung? Wird Musik zur Unterstützung des Unterrichts verwendet? Gibt es Hilfsmittel wie Blöcke, Kissen oder Gurte, um in bestimmte Körperhaltungen zu kommen? Werden die Schüler angefasst oder nur mit Wörtern angeleitet? Sind auch Atemübungen – sogenannte Pranayamas – oder Meditationen Bestandteil des Unterrichts?
Dieser Blick in die Praxis verdeutlicht, dass es beim Yoga um ein Potpourri von Übungen gehen kann. Zur Orientierung helfen die Stile, in die der Unterricht meist eingeteilt wird. Hierfür war der indische Yogalehrer, Heiler und Gelehrte Krishnamacharya (1888 –1989) entscheidend, der ab den 1920er Jahren im Palast des Maharadschahs von Mysore unterrichtete (jetziger südindischer Bundesstaat Karnataka).
Der „Vater des modernen Yoga“ berief sich auf eine angeblich 5000 Jahre alte Schrift, die Yoga Korunta, deren Existenz aber bisher nicht gesichert werden konnte. Die heute noch sehr beliebten Formen des Ashtanga- und Iyengar-Yoga stammen aus dieser Tradition.
Yoga erobert die Welt
Während Krishnamacharya sein Geburtsland Indien nie verließ, machten seine frühen Schüler in Mysore, allen voran Pattabhi Jois (1915 –2009) und B. K. S. Iyengar (1918 –2014), den Yoga schließlich weltberühmt, ersterer den heute noch von seinem Enkel unterrichteten und auch in Deutschland verbreiteten Ashtanga-Yoga, in dem feststehende und mit dem Atem synchronisierte Folgen von Körperhaltungen unterrichtet werden.
Im nach seinem Gründer benannten Iyengar-Yoga liegt das Hauptaugenmerk auf der idealen Ausrichtung des Körpers – oft unterstützt durch Gurte und Blöcke – in einer Haltung, die dann für längere Zeit eingenommen wird. Bei diesen Yogaformen sind die Körperübungen der Schwerpunkt. So werden in Iyengars 1966 erstmals erschienenem Buch Light on Yoga über 200 Asanas erklärt, einschließlich ihrer (angeblichen) Effekte.
Vielfalt der Stile
Dem Yogaschüler von heute stehen neben diesen zwei Formen des modernen Yoga aber dutzende anderer Stile zur Auswahl, so dass es schon einmal verwirrend werden kann. Beim auch sehr beliebten Yin-Yoga werden pro Unterrichtsstunde nur wenige Haltungen geübt, dafür aber mehrere Minuten lang eingenommen. Um Anstrengung zu vermeiden, werden meist Kissen, Decken oder auch Gurte als Hilfsmittel verwendet. So wird Gefühlen und Erfahrungen Raum gegeben, die nicht nur entspannend, sondern auch konfrontierend sein können. Diesen inneren Vorgängen wird mit Akzeptanz und Hingabe begegnet. Das ist der tiefere Sinn der Übungen.
Flow-Yoga ist ähnlich dynamisch wie Ashtanga, wird von manchen aber als abwechslungsreicher und weniger anstrengend erfahren. Power-Yoga ist vor allem in Fitnessstudios populär und wird meistens von lauter Technomusik begleitet. Für Bikram- und Hotyoga wird der Übungsraum aufgeheizt, um je nach Sichtweise flexibler zu sein oder mehr Kalorien zu verbrennen. Bikram Choudhury (geboren 1944), Gründer der nach ihm benannten Form, wurde in jüngeren Jahren jedoch häufiger sexueller Übergriffe und anderer Verbrechen beschuldigt und in den USA 2016 erstmals verurteilt.
Die Liste mit Yogastilen ließe sich lange fortsetzen. Diese Multiplikation der Formen gab es vor dem 20. Jahrhundert aber noch nicht und sie hat wahrscheinlich viel mit Marketing zu tun: für jede Zielgruppe oder für jeden Interessierten die ideale Yogaform.
Mehr über Yoga und darüber, warum es heute so populär ist, erfahren Sie im ganzen Artikel von Stephan Schleim im aktuellen Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Yoga, Meditation, Achtsamkeit: Was die drei Lehren ausmacht und wie wir sie für unseren Alltag nutzen können.