Sie haben sich zusammengefunden in der Angst vor dem, was dieser Präsident in den USA und in der Welt noch anrichten könnte. Die 27 Psychiater, Psychologen und Therapeuten sind Koryphäen ihres Berufs und weitestgehend einig im diagnostischen Urteil über den US-Präsidenten. Sie wissen nicht, ob ihn ihre Diagnose je erreicht oder ob er sie verächtlich wegwischt, weil er die Ärzte doch – wie die kritische Presse auch – für einen Teil der großen Verschwörung gegen ihn hält. Verschwörungsangst und Verleugnung der Realität kennzeichnen ihn, und jeder Selbstzweifel, falls ihn je einer anweht, wird durch eine fast lächerliche, aber gefährliche Grandiosität beiseitegefegt.
Die Beiträger des Sammelbandes durchbrechen die Goldwater-Regel, ein wichtiges ethisches Grundprinzip, das es Psychiatern und Psychologen verbietet, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eine seelische oder geistige Krankheit zu attestieren, das heißt: ohne eine vorausgegangene diagnostische Untersuchung eine Ferndiagnose zu stellen. Den Grund für die Entscheidung, ihre professionelle Neutralität aufzugeben, sehen die 27 Beiträger in ihrer „Pflicht, die Öffentlichkeit zu warnen“.
Skrupulös arbeiten sich die 27 an diesem Verbot ab, doch sie sind, nach dem Hauptkriterium der Gemeingefährlichkeit, überzeugt, dass Donald Trump so rasch wie möglich am Weitertoben gehindert werden sollte. Einige sind aus dem Bündnis aus Angst vor seiner Rache wieder ausgeschieden. Umso mutiger erscheint die entschlossene Haltung der 27.
Eine toxische Mischung
Die Übereinstimmung in den Urteilen ist frappant: gefährliche Selbstüberschätzung, destruktiver Narzissmus mit psychopathischen Zügen, Verlogenheit, psychosenahe Realitätsverkennung, kognitive Beeinträchtigung, Soziopathie, traumatische Angststörung bei verleugneter Überschwemmung durch rachsüchtige Aggressivität, Paranoia und so weiter.
Drei brillante Vorworte gliedern und deuten die 27 Diagnosen. Besonders das deutsche Vorwort von Hans-Jürgen Wirth ist hervorzuheben, der gleichzeitig der Verleger des Buches ist, Analytiker und Politologe. Er fasst zusammen: Trump „ist schockierend und löst immer wieder ein ganzes Bündel von Gefühlen aus: Fassungslosigkeit, Scham, Wut, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Angst, Verzweiflung, Resignation, Sarkasmus“.
Die Herausgeberin und Initiatorin der Unternehmung, Bandy X. Lee, Psychiaterin an der Yale School of Medicine, schreibt: „Man muss nicht Psychiater sein, um zu merken, dass unser Präsident mental gefährdet ist. Einzelne Vertreter der Presse haben ihre eigene diagnostische Begrifflichkeit ins Spiel gebracht“, und sie fühle sich solidarisch mit dem Teil der gehobenen US-Presse, den Trump als „die gefährliche Lügenpresse“ bezeichnet.
Sie nennt das, was sie und ihre Kollegen unternommen haben, notwendigen Widerstand und bezeichnet damit die politische Dimension der Unternehmung. „Wahnhafte Vorstellung von der eigenen Größe, Impulsivität und die mit einer mentalen Störung einhergehenden Zwänge sind, kombiniert mit einem autoritären Kult um die eigene Person und mit der Verachtung für die Gesetze, eine toxische Mischung.“
Mit dem – inzwischen nicht weiter verfolgten – Plan, die Kinder illegaler Einwanderer von den Eltern zu trennen und zu kasernieren, schien Trump im Sommer all diese Urteile zu bestätigen.
Die 27 Beiträge, unter anderem von Noam Chomsky, Thomas Singer und Philip Zimbardo, sind jeder für sich spannend zu lesen – es ist die Crème de la Crème der amerikanischen Psychiatrie. Der Wirbel, den das Buch in den USA erzeugt, ist immens und doch: Der Band erreicht, vielfach zustimmend rezensiert, eben nicht das Publikum, das Trump enthusiastisch gewählt hat und das ihm vorerst eisern die Treue hält, darin stets befeuert von den angeberischen Lügenansprachen, mit denen er durch das Land und durch seine ihm treuen Fernsehstationen eilt. Und doch ist zu wünschen, dass die Diagnosen wahrgenommen werden, in die Gesellschaft hineindiffundieren und allmählich Wirkung zeigen.
Bandy X. Lee (Hg.): Wie gefährlich ist Donald Trump? 27 Stellungnahmen aus Psychiatrie und Psychologie. Aus dem Amerikanischen von Irmela Köstlin und Jürgen Schröder. Psychosozial, Gießen 2018, 385 S., € 32,90