Ihr Buch heißt Kinderfrei statt kinderlos. Warum ist Ihnen diese begriffliche Differenzierung so wichtig?
Kinderfrei betont die bewusste Entscheidung, die man in diesem Fall getroffen hat. Kinderlose Leute sind Menschen, die gern Eltern wären, aber aus unterschiedlichen Gründen keine sind. Zudem wird „kinderlos“ oft von herablassenden Eltern benutzt, um kinderfreie Leute zu diskriminieren. Die Konnotation des Wortes kinderlos ist insgesamt schon sehr negativ, als sei es ein Mangel, keine Kinder zu wollen oder zu haben.
Welche Ziele verfolgt die „antinatalistische Bewegung“?
Der Antinatalist argumentiert ähnlich wie schon Schopenhauer mit dem Aspekt des Mitleids. Warum sollte man extra eine neue Person produzieren, wenn diese auf jeden Fall im Laufe ihres Daseins Leid erfahren wird? Wird jemand nicht gezeugt, kann er auch nichts verpassen. Wird aber ein Mensch hergestellt, dann wird er zwangsläufig auch viele negative Erfahrungen machen und letztendlich sterben müssen. Wieso sollte man das jemandem absichtlich antun? Das ist also eine philosophische Herangehensweise an das Thema Kinderfreiheit, die für mich persönlich aber erst nach den ökologischen und feministischen Argumenten kommt.
In Ihrem Alltag sind Sie ja nicht kinderfrei – Sie stehen als Gymnasiallehrerin täglich in Kontakt mit Kindern. Wie geht das zusammen mit einer starken antinatalistischen Haltung?
Kinderfreiheit bedeutet, man möchte selbst keine Kinder in die Welt setzen, während die antinatalistische Position das Zeugen per se als einen unmoralischen Akt ansieht, der den Kindern Schaden – das Leid des Lebens – zumutet. Somit widerspricht sich dies keineswegs mit dem Beruf der Lehrkraft. Im Gegenteil, sowohl als Antinatalist als auch als Pädagoge hat man das Wohl des jungen Lebens zum Ziel.
Was bringt „Kinderfreiheit“ denn an positiven Aspekten mit sich?
Da bringe ich am Ende meines Buches eine ganze Liste mit guten Gründen gegen Kinder. Mir persönlich am wichtigsten ist die Tatsache, dass ich dadurch den mit Abstand größten und bedeutsamsten individuell möglichen Beitrag zum Umweltschutz geleistet habe und dass ich meinem feministischen Credo, keine patriarchalen Imperative zu erfüllen, treu geblieben bin.
Welche Nachteile sind mit einem kinderfreien Dasein verbunden?
Kein einziger! Allerhöchstens der, wenn man das denn als Nachteil sehen möchte, dass man immer wieder mal gefragt wird, wann man sich zu reproduzieren gedenke, als sei das ein Imperativ, den man als „brave“ Frau, 38, verheiratet, mit sicherem Job, erfüllen müsste!
Beim Lesen Ihres Buches habe ich eine Ablehnung von Müttern empfunden. Woher rührt diese Negativität?
Mir missfällt jedwede unreflektierte Fortpflanzung. Dabei kritisiere ich mitnichten Mütter mehr als die männlichen Partner. Ihr Eindruck beim Lesen entsteht wahrscheinlich dadurch, dass das Thema Fortpflanzung ja gerade als ein hundert Prozent weiblich konnotiertes missverstanden beziehungsweise absichtlich und misogynerweise so inszeniert wird und in der Öffentlichkeit mehr Mütter als Väter in Erscheinung treten. Meine Argumente sind jedoch geschlechtsneutral.
Dr. Verena Brunschweiger, geboren 1980, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie/Ethik und promovierte 2007 in der Mediävistik. Sie ist aktive Feministin und arbeitet hauptberuflich als Gymnasiallehrerin. Außerdem ist sie überzeugte Nichtmutter
Verena Brunschweigers Buch Kinderfrei statt kinderlos. Ein Manifest ist im Büchner-Verlag erschienen (150 S., 16,–)