Jugendliche treiben ihre Eltern gelegentlich zur Verzweiflung. Sie sind launisch, risikobereit und ständig bemüht, Grenzen auszutesten. Wir wissen heute, dass die Pubertät, die schon mit 11 Jahren beginnen kann, eine prägende Lebensphase ist. Doch wie begegnen wir unseren Kindern, die uns plötzlich fremd vorkommen? Und wie erklärt die Hirnforschung die Verhaltensänderungen von Adoleszenten?
Drei Bücher können helfen, Pubertierende besser zu verstehen.
Maja Overbeck lädt zu einem Perspektivwechsel ein. Die Pubertät sei keine Problemphase, sondern „die schönste Zeit“ im Leben von Eltern. „Mit zunehmendem Alter meines Kindes stellen sich bei mir zwei Dinge ein: das Glücksgefühl, wieder ein selbstbestimmter Mensch zu sein, und die Erkenntnis, dass die Zeit mit meinem Kind endlich ist.“
Die Trendforscherin – Mutter eines sechzehnjährigen Sohnes – schreibt als Betroffene, die jeden Tag by doing lernt. Sie sieht ihr Buch nicht als Ratgeber, sondern möchte ihre persönlichen Erfahrungen weitergeben, die sie durch zahlreiche Gespräche mit Heranwachsenden gesammelt hat.
Streit ist normal, Versöhnung ist wichtig
Sie beschreibt, wie das Leben mit Pubertierenden außer Kontrolle geraten kann, entwickelt Strategien, wie man Jugendliche unterstützen und was beim Einüben einer neuen Rolle helfen könnte. Dabei plädiert sie dafür, Pubertierende sanft zu behandeln, Ausfälle zu tolerieren, Vertrauen einzuüben, loszulassen, aber präsent zu bleiben. Zwar sei Streit in der Pubertät normal, aber wichtig seien auch Wertschätzung und Versöhnung.
Maja Overbeck spricht gezielt die „Generation der Helikoptereltern“ an: überbesorgte, eher wohlhabende Eltern, die Wert auf Selbstoptimierung und Leistung legen. Aus der Elternperspektive beschreibt sie klug und mitfühlend Alltagsprobleme, die im Zusammenleben mit Pubertierenden auftreten können. Schwerwiegendere Konflikte, die in dieser Lebensphase auch vorkommen können, werden nicht thematisiert.
Grenzen testen
Elisabeth Raffauf richtet sich mit ihrem Buch Die tun nicht nichts, die liegen da und wachsen an Pubertierende und Eltern. Auch die Psychologin mit dem Schwerpunkt Familien- und Erziehungsberatung will keinen Ratgeber schreiben, denn „es gibt nicht den Rat“. Sie beschreibt mögliche Probleme und zeigt Lösungsmöglichkeiten auf. So empfiehlt sie Pubertierenden, den Eltern auch mal etwas zu verschweigen. Es gebe einfach Themen, die Eltern nichts angehen. Liebe zum Beispiel. „Neugierige Eltern müssen belogen werden. Aus Selbstschutz.“ Die Eltern müssten sich klarmachen: Ablösung ist das Ziel. Und das könne durchaus wehtun. „Ablösung und Harmonie passen nicht zusammen.“ In der Pubertät hätten Eltern und Kinder nun mal komplett entgegengesetzte Aufgaben. Der Job der Kinder sei es, Grenzen zu testen – und die Eltern müssten zeigen, wo die eine oder andere Grenze verläuft. Eine Herausforderung sei der Medienkonsum. „Der Mediensog ist uns allen über den Kopf gewachsen – auch den ausgewiesenen Medienexperten“, behauptet sie und gibt sich ratlos: „Die Sache ist aus dem Ruder gelaufen.“ Sie rät, mit den Jugendlichen zu verhandeln.
Elisabeth Raffauf hat schon vor knapp 20 Jahren ein Buch zum Thema Pubertät geschrieben. Viele Themen, etwa Drogen- und Medienkonsum, werden erneut aufgegriffen, jedoch aktualisiert.
Auch wenn das Kapitel über Medienkonsum nicht zufriedenstellt und die Probleme weiblicher Heranwachsender zu kurz kommen, ist es insgesamt ein lesenswertes Buch, das die Bedürfnisse von Jugendlichen und Eltern in den Blick nimmt.
Risikofreude wächst in Gegenwart von Gleichaltrigen
Kommt Pubertät nur in unserem abendländischen Kulturkreis vor? Sarah-Jayne Blakemore erklärt, dass sie ein kulturübergreifendes Entwicklungsstadium ist. Und adoleszenztypische Verhaltensweisen gebe es auch bei Tieren. Die vor allem im angelsächsischen Raum prominente Neurowissenschaftlerin zeigt auf, was wir heute über das Gehirn von Heranwachsenden wissen. Dabei überblickt sie 20 Jahre Hirnforschung. Im Zentrum ihrer Darstellung stehen Identitätsentwicklung, Risikobereitschaft, das „soziale Gehirn“ und psychische Krankheiten.
Die Risikofreude sei der „hartnäckigste und schwierigste Aspekt im Verhalten von Heranwachsenden“. Hier gibt es noch viele Forschungslücken. Jedoch könne man als bewiesen annehmen, dass Jugendliche nicht generell einen Hang zu riskanten Lebensweisen haben. Vielmehr gelte, dass die Bereitschaft zum Risiko mit der Gegenwart von Gleichaltrigen wachse. Hier spiele das Streben nach Anerkennung eine entscheidende Rolle. Faszinierend sei die Plastizität unseres Gehirns. Wenn man eine Aufgabe übe, verändere sich die Gehirnstruktur. Diese Veränderungen könnten erstaunlich schnell nachgewiesen werden – sie verlören sich wieder, wenn die Aktivität nachlässt. Belegbar sei auch eine erhöhte Anfälligkeit für psychische Krankheiten in dieser Lebensphase, besonders Depressionen seien häufiger. Was dafür ursächlich sei, müsse noch erforscht werden.
Die Autorin berichtet anschaulich und lebensnah. Sie nimmt ihre Leser – wissenschaftliche Laien, aber auch Pädagogen und Psychologen – mit und zeigt, wie sich ihr Interesse für ihr Fachgebiet entwickelte und welche Fragen sie anspornen. Souverän geht sie auf Irrtümer und Fehlinterpretationen ein. Ohne den medialen Höhenflug zu erwähnen, den diese Wissenschaft zeitweise erlebte, stellt sie heraus, „dass die Vorgänge im Gehirn von Jugendlichen komplizierter und anders sind, als man noch bis vor kurzer Zeit angenommen hat“. Es sei an der Zeit, sich genauer anzusehen, was in diesen Jahren des Ausprobierens im Gehirn vorgeht.
Maja Overbeck: I love Teens. Wie es Spaß macht, unsere Kinder durch die Pubertät zu begleiten. Piper, München 2018, 232 S., € 17,–
Elisabeth Raffauf: Die tun nicht nichts, die liegen da und wachsen. Was in der Pubertät hilft. Patmos, Ostfildern 2018, 192 S., € 18,–
Sarah-Jayne Blakemore: Das Teenager-Gehirn. Die entscheidenden Jahre unserer Entwicklung. Aus dem Englischen von Sebastian Vogel. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2018, 291 S., € 18,–