Als Forscherin beschäftigen Sie sich mit dem Zusammenspiel zwischen Persönlichkeit und Partnerschaft: Was sind die wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale für das Gelingen einer Beziehung?
In der Forschung haben sich drei Persönlichkeitsmerkmale als zentral für das Gelingen einer Partnerschaft herauskristallisiert: emotionale Stabilität, ein hoher Selbstwert und ein sicherer Bindungsstil.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Gegenpole dieser Merkmale – emotionale Instabilität, ein niedriger Selbstwert, eine unsichere Bindung – das Gelingen einer glücklichen Partnerschaft herausfordern.
Personen mit emotionaler Instabilität neigen dazu, viel zu grübeln, unguten Gedanken anzuhaften und ambivalente Situationen negativ zu interpretieren. Personen mit einem niedrigen Selbstwert zweifeln an sich, solchen mit einer unsicheren Bindung fällt es schwer, sich auf die Zuneigung anderer Menschen zu verlassen, und sie haben Verlustängste.
Bedeutet das, dass emotional instabile Menschen oder solche mit geringem Selbstwertgefühl keine guten Aussichten auf eine gelingende Beziehung haben?
Zum einen wird in Studien mit Durchschnittswerten gearbeitet. Das bedeutet, dass es durchaus Personen geben kann, die beispielsweise emotional instabil sind oder einen niedrigen Selbstwert haben und dennoch eine sehr glückliche Beziehung führen.
Zum anderen beschreiben Persönlichkeitsmerkmale immer die Tendenz, in einer bestimmten Weise zu denken, zu fühlen und zu handeln. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man sich nicht in jeder Situation gleich verhält, sondern lediglich die Neigung hat, in einer bestimmten Weise zu agieren. Demnach müssen sich Personen, die zum Beispiel emotional instabil sind, nicht zwangsläufig in jeder Situation problematisch verhalten.
Daher scheint es mir als Forscherin – und insbesondere als Paartherapeutin – wichtig, dass wir um unsere Eigenschaften, auch um die problematischen wissen, um sie bewusst wahrzunehmen und uns nicht von ihnen steuern zu lassen, sondern selbst aktive Akteure und Akteurinnen zu sein.
Warum bremsen sich Partnerinnen und Partner oft gegenseitig aus?
Persönliche Entwicklung zuzulassen und Freiraum zu gewähren ist oft mit einem Gefühl von Risiko verbunden und der Angst, die andere Person könnte sich von mir weg entwickeln. Dieses Empfinden ist nachvollziehbar.
Gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass persönliche Entwicklung ein entscheidender Schlüssel für eine langfristig erfüllende Beziehung ist. Denn Möglichkeiten einzuschränken und dadurch Kontrolle zu bewahren funktioniert meist nur kurzfristig.
Wie können Paare sich „entwicklungsfreundlich“ verhalten?
Ich glaube, dass ein aufrichtiges „Ja“ zur persönlichen Entwicklung des Partners oder der Partnerin ein zentraler Schlüssel für eine glückliche Beziehung ist. Mit allen Ängsten und Sorgen, die damit einhergehen. Wichtig ist, dass wir diese Sorgen ausdrücken können.
Wenn beispielsweise der Partner mit einem neuen Hobby beginnen möchte, sagen: „Ich finde es schön, wenn du mit dem Tennisspielen beginnst, und ich unterstütze dich dabei, aber mir wäre es wichtig, dass wir weiterhin genügend Zeit als Paar haben. Wie können wir das hinbekommen?“
Dieses echte Kommunizieren erlaubt meinem Gegenüber, auf meine Sorgen einzugehen. Und dadurch können ein Gespräch, gegenseitiges Kennenlernen und persönliche Weiterentwicklung entstehen.
Janina Larissa Bühler ist Juniorprofessorin für Persönlichkeitspsychologie und psychologische Diagnostik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Sie erforscht die Entwicklung von Persönlichkeit und Partnerschaft, ist Autorin zahlreicher Fachpublikationen und ausgebildete Paartherapeutin.
Janina Larissa Bühlers Buch Mehr Ich. Mehr Du. Mehr Wir. Warum wir als Paar intensiver lieben, wenn wir uns selbst verwirklichen ist bei Beltz erschienen. (256 S., € 20,–)