Macht künstliche Intelligenz einsam?

Wer bei der Arbeit fast nur noch mit Künstlicher Intelligenz kommuniziert, leidet womöglich mehr darunter als bisher bekannt. Dies zeigt eine Studie.

Die Interaktion mit lernfähiger Software erfüllt Menschen nicht wirklich, sondern erhöht das Bedürfnis nach normalen Kontakten. © sorbetto/Getty Images

Immer mehr Menschen arbeiten tagtäglich mit lernenden Systemen der Künstlichen Intelligenz – das tut ihnen nicht unbedingt gut, so das Ergebnis von vier psychologischen Studien mit insgesamt knapp 790 Personen. Denn KI macht offenbar einsam und verschlechtert das Wohlbefinden. Im ersten Schritt verstärkt sie das Bedürfnis danach, vermehrt mit lebendigen Menschen im Kontakt zu sein. Dieses unerfüllte Bedürfnis führt zu paradox erscheinenden Anpassungsversuchen, nämlich dem, anderen mehr zu helfen, um so mit ihnen in Kontakt zu kommen. Und in der Folge zu erhöhtem Alkoholkonsum und Schlafmangel. Dies war bei Personen ausgeprägter, die ohnehin unter verstärkter Bindungsangst litten.

Die Forschenden nehmen an, dass die virtuellen Systeme - indem sie mit uns kommunizieren, bestimmte evolutionär in uns angelegte Mechanismen antriggern: Wir wollen immer Kontakt, um zu überleben und uns weiterzuentwickeln. Indem die System auf uns reagieren und uns zu Antworten herausfordern, werden sie zu einer Art Ersatz-Interaktionspartner. Aber

Das Forschungsteam schreibt, dass Arbeitgebende das erhöhte Bedürfnis, anderen zu helfen, nicht missverstehen sollten – weil dahinter die Suche nach Kontakt stehe und es in diesem Kontext leicht zur Überforderung führen könnte. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlagen vor: Arbeitnehmende sollten nicht ausschließlich mit KI-Systemen arbeiten und stets Möglichkeiten haben, nicht nur mit den virtuellen, sondern auch mit leibhaftigen Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten und sich beispielsweise eine zweite Meinung zu holen, falls die Vorgaben des KI-Systems nicht hilfreich seien.

Wenn KI unsere Arbeit macht

Die Teilnehmenden kamen aus Unternehmen verschiedener Branchen, etwa der Biomedizin, Immobilien, Finanzen, Marketing, Beratung und hatten beruflich überwiegend mit KI-Systemen zu tun, die helfen sollten, Produkte und Dienstleistungen zu perfektionieren oder Prozesse zu optimieren. Die Befragten kamen aus den USA, aus Taiwan, Indonesien und Malaysia und wurden danach gefragt, wieviel ihres Arbeitsalltags der Umgang mit einem KI-System in Anspruch nahm. Außerdem wurden ihre Wünsche nach sozialen Kontakten, das Ausmaß eventueller Bindungsangst und ihr Vermeidungsverhalten erfasst. Ein Teil von ihnen löste eine Aufgabe mithilfe einer KI-Software und wurde im Anschluss untersucht.

Die Forschenden schreiben, dass andere äußere Einflüsse, etwa aus dem Privatleben der Personen, nicht völlig ausgeschlossen werden könnten, etwa bei den Fragen nach Alkohol und Schlafmangel. Bei den Befragten ging zumindest ein vermehrter Wunsch zu helfen mit erhöhtem Alkoholkonsum und Schlafproblemen einher. Zum Teil blieb auch unklar, ob es tatsächlicher Mangel an sozialen Kontakten war oder ob unerfüllte Erwartungen in dieser Hinsicht das Wohlbefinden verschlechtert hatten.

KI-Systeme werden nach Schätzungen in etwa 20 Jahren etwa zwei Billionen Dollar Wertschöpfung generieren, indem sie Aufgaben in der Arbeitswelt mehr und mehr übernehmen, so berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Eine Vision davon, wie es ist, wenn Roboter menschliche Arbeit und Aufgaben vollständig erledigen, zeichnet der 2009 erschienene Film Surrogates, in dem menschenähnliche Roboter schließlich alles machen und die Menschen allein und unnütz zu Hause hocken und sich kaum noch bewegen, geschweige denn direkt miteinander reden.

Pok Man Tang u. a.: No person is an island: Unpacking the work and after-work-consequences of interacting with artificial intelligence. Journal of Applied Psychology, 2023. DOI: 10.1037/apl0001103

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