Werden Menschen an ihrem Arbeitsplatz über längere Zeit gemobbt, kann dies eine Neigung zum Verschwörungsdenken befördern. Diesen Zusammenhang zeigten die Psychologen Daniel Jolley von der Universität Nottingham und Anthony Lantian von der französischen Universität Paris Nanterre erstmals in einer kleinen Studie. Damit zeigen sie, dass Verschwörungsglaube nicht nur von großen kollektiven Krisen wie etwa der Pandemie oder dem Klimawandel verstärkt werden kann, sondern auch individuell durch schlechte Erfahrungen bei der Arbeit, die zu Gefühlen der Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts führen.
Rund 270 Teilnehmende aus Großbritannien berichteten in einer Onlineumfrage, ob sie in den vergangenen sechs Monaten Erfahrungen mit Mobbing oder Bullying gemacht hatten. Zudem gaben sie an, inwieweit sie an eine Reihe von Verschwörungserzählungen glaubten. So wurden sie in 15 Fragen gebeten anzugeben, inwieweit sie zustimmten, etwa folgenden Sätzen: „Eine kleine, geheime Gruppe von Personen ist verantwortlich für die großen Entscheidungen in der Welt, etwa einen Krieg zu führen.“
Zudem füllten sie Fragebögen aus hinsichtlich einer Neigung zu paranoidem Denken, über das Ausmaß von Angst sowie dem Grad ihrer Wachsamkeit (hypervigilance) hinsichtlich möglicher Bedrohungen. Beides, Angst und Hyperaufmerksamkeit gilt als Voraussetzung für Verschwörungsdenken. In einer zweiten Befragung mit einem experimentellen Design wurden 100 Befragte gebeten, sich vorzustellen, dass sie an einem fiktiven neuen Arbeitsplatz Mobbing oder Bullying ausgesetzt seien. Weitere 100 Personen, die die Kontrollgruppe bildeten, sollten sich einfach vorstellen, einen neuen Job anzutreten. Beide füllten anschließend die gleichen Fragebögen aus wie die Teilnehmenden der ersten Studie.
Beide Untersuchungen ergaben: Die Teilnehmenden, die entweder in ihrer eigenen Vergangenheit Mobbing erfahren hatten oder es sich vorstellten, zeigten eine stärkere Neigung zu Verschwörungsdenken, sie stimmten also entsprechenden Aussagen in stärkerem Ausmaß zu.
Die Vorstellung, gemobbt zu werden, führte zu Verschwörungsdenken
In der ersten Studie war eine Neigung zu paranoidem Denken, also andere Menschen generell als feindselig zu erleben, die Erklärung für das Verschwörungsdenken. Dagegen wurde in der zweiten Studie ebenfalls paranoides Denken gefunden, aber hier hatte es nichts mit der verstärkten Tendenz zum Verschwörungsdenken zu tun. Hier reichte anscheinend die bloße Fantasie, man werde gemobbt, dafür aus, dass sich Verschwörungsdenken einstellte.
Wie die beiden Autoren schreiben, haben fiktive Verschwörungserzählungen die Eigenschaft, scheinbar naheliegende und plausible Erklärungen für schwer verständliche und bedrohliche Ereignisse zu bieten. So erfüllen sie das Bedürfnis danach, Dinge zu verstehen, die passieren und die schwer erklärbar sind. . An diese Geschichten zu glauben, erfülle noch weitere Bedürfnisse, etwas das, über ein einzigartiges Geheimwissen zu verfügen. Außerdem dieser Glaube auch ein Gefühl von Kontrolle zurück, wenn Menschen sich hilflos fühlen. Das Gefühl, es nicht erklären zu können und hilflos zu sein haben viele von Mobbing Betroffene, was erklären könnte, dass im Verschwörungsdenken ein Ausweg gesucht werde.
Da es die erste Studie sei, in der es darum ging, individuelle schlechte Erfahrungen als möglichen Auslöser für Verschwörungsdenken zu untersuchen, seien weitere Forschungen notwendig, schreiben Jolley und Lantian.
Daniel Jolley, Anthony Lantian: Experiences of Workplace Bullying and the Tendency to engage in conspiracy theorizing. Social Psychology, 2022. DOI: 10.1027/1864-9335/a000492