Leidenschaftlich arbeiten können, das klingt ein wenig nach einem Versprechen, das schwer erfüllbar zu sein scheint. Tatsächlich sagen weltweit laut Studien des Beratungsunternehmens Gallup nur etwas mehr als zehn Prozent der befragten Erwerbstätigen, dass sie für ihre Arbeit Leidenschaft empfinden. Ob Menschen das tun, hängt von ihrer Persönlichkeit ab und von der Arbeitsumgebung, stellen zwei Forscherinnen jetzt fest. Wer sehr gewissenhaft arbeitet, tut es offenbar auch leidenschaftlicher. Die Psychologinnen werteten Daten von gut 800 Personen aus, die ein paar Jahre zuvor beim my Personality Project im Internet verschiedene Persönlichkeitsfragebögen ausgefüllt hatten.
Passion für die Arbeit ist nicht immer hilfreich
Grundsätzlich unterscheiden Psychologinnen und Psychologen zwei Arten des leidenschaftlichen Arbeitens. Die eine, harmonious work passion genannt, spiegelt das, was wohl viele gerne hätten: Sie umfasst eine bewusste Entscheidung für die eigene Arbeit, die als sehr erfüllend erlebt wird. Dazu gehört die Fähigkeit, sehr konzentriert zu arbeiten, aber auch die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben deutlich zu ziehen, was mit der Fähigkeit einhergeht, sich zu erholen. Diese Art leidenschaftlicher Arbeit beeinträchtigt nicht die persönlichen Lebensbereiche. Eine andere Art ist die obsessive Leidenschaft (obsessive work passion), die problematisch sein kann: Zwar führt sie ebenfalls zu guten Leistungen, aber nicht zu Zufriedenheit oder Erfüllung. Wer obsessiv arbeitet, kann sich gedanklich schlecht von der Arbeit lösen, sich also auch schlecht erholen, schreiben die Forscherinnen.
Beide Neigungen können von der Persönlichkeit gestärkt oder geschwächt werden, neben der Gewissenhaftigkeit auch die Verträglichkeit oder Extraversion spielen eine Rolle. Die Forscherinnen vermuten, dass Menschen, die leidenschaftlich arbeiten, insgesamt über eine gute Selbstkontrolle verfügen, wie es eben bei sehr gewissenhaften und verträglichen Menschen der Fall ist. Aber auch die Arbeitsumgebung und die Anforderungen wirken sich aus, je nachdem, ob in einem Job Kreativität gefordert ist, ob es eher um Wissen geht oder soziales Verhalten gefragt ist.
Wer ich bin
Das Projekt My Personality auf Facebook lief von 2007 bis 2012 und wurde von dem Psychologen David Stillwell (heute University of Cambridge) gegründet, später kam sein Kollege Michal Kosinski (heute Stanford University) dazu. Sie stellten auf Facebook Persönlichkeitsfragebögen zur Verfügung, die sich ursprünglich nur an rund 50 Facebook-Freunde richteten. Diese teilten es, das Projekt wuchs enorm, bis eines Tages rund sieben Millionen Menschen die Fragebügen ausgefüllt hatten, um etwas über ihre Persönlichkeit zu erfahren. Die beiden Forscher nutzten die Daten, mit der sie in diesem Volumen nicht gerechnet hatten, für ihre Forschung und versichern auf der Website des Projekts, dass sie sie nie für kommerzielle Zwecke einsetzten. Sie stellten das Projekt 2012 ein, weil es belastend für sie geworden sei.
Annika Breu, Taha Yasseri: What drives passion? An empirical examination on the impact of personality trait interactions and job environments on work passion. Current Psychology, 2022. DOI: 10.1007/s12144-022-02717-8