Das obenstehende Bild und ich, wir schweigen uns an, und das bereits seit Stunden. Ich sehe nicht viel. Ich sehe eine offensichtlich zutiefst enttäuschte Katze, die sich aus dem Bild herausschleppt. Ich sehe Pflanzen, die aussehen wie geschossener Salat, sowie drei angeschlagene Damen auf einer Bank. Die vierte, links außen, wirkt etwas angeregter als ihre Kolleginnen und scheint intensiv über etwas nachzudenken – vielleicht darüber, wie auch sie es aus dem Bild herausschaffen könnte. Nichts davon will sich zu einer Geschichte formen.
Bilder erzählen Geschichten und jede Geschichte sagt etwas aus über den Menschen, der sie erzählt. Angelehnt an einen alten projektiven Test, den TAT, zeigen wir einer prominenten Persönlichkeit ein Bild und bitten sie, die Szene zu deuten. Weitere Artikel aus der Rubrik „Ein Bild, zwei Fragen“ finden Sie hier.
Was könnte Ihre Bildbeschreibung mit Ihnen persönlich zu tun haben?
Wenn mir ein Bild nichts oder nur sehr wenig sagt, suche ich die Schuld daran gerne erst mal bei mir: Wahrscheinlich handelt es sich um ein reichhaltiges, einladendes Bild, und nur ich taube Nuss bin nicht in der Lage, das zu erkennen.
Da Selbstbezichtigung ja eine recht freudlose Angelegenheit ist, fange ich irgendwann an, das Bild zu bezichtigen. Ich habe mich wirklich ins Zeug gelegt, ich bin in Betrachtung versunken und habe intensiv nach Gemeinsamkeiten gesucht (beispielsweise haben wir beide, das Bild und ich, heute mit einem reichlich verstimmten Haustier zu tun).
„Du kannst dir ruhig auch mal ein bisschen Mühe geben“, sage ich etwas schmallippig zu dem Bild, „es gehören ja immer zwei dazu.“ Das Bild schweigt, und schließlich schaue ich ins Leere wie die Dame in Grün. Auch diese Bezichtigung führt zu nichts. Also gut. Dann machen wir eben das, was man macht, wenn man bei einem Abendessen mit Tischordnung neben einen inkompatiblen Tischherrn gerät: Man schweigt möglichst einvernehmlich nebeneinander her und hofft, für sich und auch für den Nebensitzer, auf freie Platzwahl bei der nächsten Veranstaltung.
Mariana Leky ist Schriftstellerin (Was man von hier aus sehen kann, Kummer aller Art). Für Psychologie Heute hat sie die Kolumne Lekys Aussichten geschrieben.
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