Julia Moser erzählt:
„Berührungsängste gegenüber Menschen mit Behinderung kann ich gut nachvollziehen. Auch für mich waren sie früher ,Wesen von einem anderen Stern‘, mit denen ich nichts zu tun haben wollte. Dabei habe ich selbst eine seltene Erkrankung.
Als ich 13 Jahre alt war, wurde bei mir das Ushersyndrom festgestellt. Die Prognose: fortschreitende Seh- und Höreinschränkungen bis zur Erblindung. ,Beruflich wird’s schwierig‘, sagte die Ärztin, ,studieren wirst du wohl nicht und Kinder wirst du auch keine bekommen, weil du, wenn überhaupt, einen Partner haben wirst, der auch das Ushersyndrom hat.‘
Die Behinderung als Facette des Selbst annehmen
Diese Prognose war ein absoluter Schock. Mir wurde vermittelt: Mit einer Behinderung gehörst du nicht mehr zur ,normalen Gesellschaft‘. Das ist kein lebenswertes Leben.
Also lernte und arbeitete ich doppelt hart, damit niemand etwas merkte. Abends im Bett flossen die Tränen.
Doch ganz verheimlichen ließ sich mein Ushersyndrom nicht: Beim Abschlussgespräch eines Praktikums war meine Chefin sehr zufrieden, fragte aber, ob ich schlecht höre. Super unangenehm! Die Chefin sah das unkompliziert: ,Wenn jemand eine anstrengende Art hat, müssen wir doch auch damit klarkommen‘, sagte sie.
Das gab mir Mut, meine Erkrankung als eine Facette von mir anzunehmen. Außerdem traf ich Menschen, die mit Behinderung ein Start-up gründeten oder Kinder bekamen.
Auch heute trage ich meine Behinderung nicht vor mir her. Lerne ich Menschen neu kennen, spreche ich das Thema kurz an, damit niemand irritiert ist, wenn ich jemanden mal übersehe oder nicht verstehe.“