Von Susanne Ackermann
Extravertierte Menschen sind gesellig und aktiv, Introvertierte zurückhaltend und manchmal gern allein. In der Pandemie haben letztere einen Vorteil: Introvertierte Befragte erlebten laut einer Studie während des Lockdowns im vergangenen Jahr weniger Stress. Offenbar konnten sich die Extrovertierten schlechter an die ungewohnte Situation anpassen, schreiben die beiden Autoren der Studie.
Außerdem zeigte sich: Emotionale Stabilität erwies sich als in jedem Fall günstig – so dass Introvertierte und gleichzeitig emotional stabile Personen offenbar besonders prädestiniert sind, in einer Ausnahmesituation wie dem Lockdown und damit einhergehenden Verhaltensbeschränkungen relativ gut zurechtzukommen.
Für die Studie an der Universität Leipzig wurden zwischen April, also dem Beginn des Lockdowns 2020 und September, als die Infektionszahlen deutlich zurückgegangen waren, insgesamt knapp 600 Teilnehmende aus Deutschland wiederholt befragt. Es wurden alle Persönlichkeitseigenschaften des Big-Five-Persönlichkeitsmodells erhoben, also neben Extraversion und Introversion auch Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit sowie Neurotizismus (emotionale Stabilität).
Insgesamt ging das Stresserleben bei allen Befragten zurück. Dass die extravertierten Teilnehmenden mehr Stress empfanden, habe wohl weniger mit Resilienz zu tun, schreiben die beiden Forscher. Eher sei es wohl so gewesen, dass die Extravertierten länger brauchten, um mit der ungewohnten Lage zurechtzukommen. Introvertierte, ohnehin eher zurückhaltend und mitunter gerne allein, seien im Vorteil. Als ungünstig für die Anpassung erwies sich offenbar hoher Neurotizismus, also erhöhte Neigung zur Angst, Nervosität und Unsicherheit. Die anderen Eigenschaften machten im Hinblick auf das Stresserleben keinen Unterschied.
Hannes Zacher, Cort W. Rudolph: Big Five traits as Predictors of Perceived stressfulness of the COVID-19-Pandemie. Personality and Individual Differences, 2021. DOI: 10.1016/j.paid.2021.110694