Unaufmerksam

In den Social Media werden häufig Fehlinformationen über das Coronavirus geteilt. Der Psychologe Gordon Pennycook hat untersucht, woran das liegt.

In den Social Media kursieren viele richtige und eine Menge falscher Informationen über COVID-19. Auch letztere werden vielfach geteilt. Das Spektrum reicht von „Das Coronavirus ist ein Witz“ bis hin zu „Kokosmilch hilft gegen das Virus“, berichtet der Psychologe Gordon Pennycook von der US-amerikanischen University of Regina. Mit Kollegen ging er in zwei Studien der Frage nach, warum so viele Menschen falsche Inhalte über Corona teilen. Die Psychologen stellen fest: Wurden die Probanden gefragt, welche Inhalte sie gerne teilen würden, entschieden sie schnell und unaufmerksam. Wurden sie jedoch gebeten, sich über die Richtigkeit von ihnen vorgelegten Headlines zu Coronainhalten Gedanken zu machen, konnten sie viel besser zwischen richtigen und falschen Überschriften unterscheiden.

Die Forscher rekrutierten ihre Teilnehmer über Onlinetools. Für die erste Studie mit rund 850 Probanden legten die Forscher zunächst 15 falsche und 15 richtige Überschriften zu Coronathemen vor (die Richtigkeit war zuvor von Fact-Checking-Seiten bestätigt worden). Die Überschriften wurden im Facebook-Format präsentiert. Danach gab es einige Messungen: Die Probanden wurden gefragt, wie besorgt sie hinsichtlich der damals noch relativ neuen Pandemie seien. Erfasst wurde außerdem ihre Fähigkeit, reflektierend zu denken und zudem in Form eines kleinen Quiz ihre Kenntnisse über die Wissenschaft. Zusätzlich testeten die Forscher noch, ob Teilnehmer medical maximizer waren, also bereits bei kleinen Beschwerden umfassend nach Informationen suchen würden – oder im Gegenteil dies nur im äußersten Notfall tun würden (medical minimizer).

Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Bedingungen verteilt: Eine Gruppe wurde gefragt, ob die Aussage in der jeweiligen Headline richtig sei und die andere, ob man sich vorstellen könne, die Story online zu teilen. Anschließend wurde das Urteilsvermögen der Teilnehmer eingeschätzt, also untersucht, wie viele Headlines sie zutreffend für richtig gehalten hatten und wie viele richtige und falsche Headlines sie bereit wären, online zu teilen.

Für die zweite Studie wurden weitere rund 850 Teilnehmer denselben Tests unterzogen. Diejenigen, die über ihre Bereitschaft zu teilen gefragt wurden, sollten direkt davor die Richtigkeit einer einzigen Überschrift beurteilen, die nichts mit COVID-19 zu tun hatte. Sie wurden also kurz zum Nachdenken angehalten. Nach diesem Vortest teilten die Probanden eine größere Zahl richtiger Überschriften, dachten also in diesem Moment offenbar mehr darüber nach, ob das, was sie zu teilen bereit waren, auch tatsächlich stimmte.

Die Psychologen kommen zu dem Schuss, dass Menschen im Social Media-Kontext abgelenkt sind von der Frage nach der Richtigkeit von Inhalten und es ihnen eher darum gehe, anderen zuzustimmen. Dabei spiele aber auch der Denkstil eine Rolle, schreiben die Forscher und meinen damit die Neigung zu intuitivem oder emotionalem Denken bis hin zu Verschwörungsüberzeugungen und Aberglauben. Die Autoren halten es vor dem Hintergrund der Coronaproblematik für besonders wichtig, dass die Social Media-Unternehmen darüber nachdenken, wie sie das Teilen falscher Informationen bei solchen kritischen Themen reduzieren könnten.

Gordon Pennycook u. a.: Fighting COVID-19 misinformation on Social Media: Experimental evidence for a scalable accuracy-nudge intervention. Psychological Science, 2020. DOI: 10.1177/0956797620939054

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