Die Qual der Wahl: Sachertorte oder Käsekuchen? Urlaub in der Karibik oder Hüttentour in den Bergen? Aussteigerleben oder Karriereturbo? Wir entscheiden uns für Berufe, Hobbys und Partner, gegen Wohnorte, Familienpläne und Parteien. Wir wählen Lebensentwürfe und Laufbahnen, Glaubensrichtungen und Identitäten. Mit der Formel im Kopf: Auswahl = Freiheit = Zufriedenheit.
Doch oft genug spüren wir, dass diese Gleichung nicht aufgeht. So mancher erstarrt in einem Zustand der Unverbindlichkeit: vielleicht spontan, mal sehen, je nachdem. Sind die Würfel gefallen, beginnt das große Hadern. Hätte ich nicht gesollt? Was wäre, wenn?
Du hast die Wahl: Mach was draus!
Diese Zweifel überfallen uns nicht ohne Grund. Entscheiden ist schwer und war vielleicht nie schwerer als heute. Wir haben unzählige Möglichkeiten vor Augen und die Last der Verantwortung auf unseren Schultern. Das setzt unter Druck. Was also hilft dabei, sich nicht in Grübelschleifen zu erschöpfen und in Pro-und-Kontra-Listen zu verzetteln? Vielleicht: das Wesen der Entscheidung und ihre Rahmenbedingungen besser zu verstehen.
Denn „die Entscheidung, die sowohl in ihrer Gegenwart als auch in ihrer Abwesenheit von trivial bis lebensverändernd reicht, ist ein untrennbarer Teil unserer Lebensgeschichte“, schreibt die Psychologin Sheena Iyengar in ihrem Buch The Art of Choosing. „Manchmal lieben wir sie, manchmal hassen wir sie, aber egal wie unsere Beziehung ist, wir können sie nicht ignorieren.“
Überall warten Entscheidungen
Rund 20 000 Entscheidungen treffen wir laut dem Psychologen Ernst Pöppel pro Tag. Die meisten von ihnen handeln wir ab, ohne weiter darüber nachzudenken – rechts oder links ausweichen, Schinkensandwich oder Käsebrezel bestellen, Nachricht tippen oder anrufen?
In diesen Strom aus Alltagsentschlüssen mischen sich auch schwerwiegendere Fragen. Das erfährt die Psychotherapeutin Christina Pusch in ihrer Praxis: „Das Leben konfrontiert uns immer wieder mit Herausforderungen. Etwa der Entscheidung, welchen Partner wir wählen, wie Angehörige im Pflegefall betreut werden sollen, welchen Karriereweg wir beschreiten oder ob der Kontakt zu Familienmitgliedern abgebrochen werden darf.“ Antworten auf diese Fragen müssen wir meist selbst finden – „anhand von Fakten, Werten, Erfahrungswissen und Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen“, sagt Pusch.
Moderne Bastelbiografien
Haben früher Milieus, Normen und Traditionen die Richtung gewiesen, bahnen wir uns heute einen eigenen Weg durch das Dickicht an Möglichkeiten. „Chancen, Gefahren, Unsicherheiten der Biografie, die früher im Familienverbund, in der dörflichen Gemeinschaft, im Rückgriff auf ständische Regeln oder soziale Klassen definiert waren, müssen nun von den Einzelnen selbst wahrgenommen, interpretiert, entschieden und bearbeitet werden“, schrieben die Soziologen Elisabeth Beck-Gernsheim und Ulrich Beck schon im Jahr 1994 in einem Aufsatz. Die Normalbiografie werde zur ,,Wahlbiografie“, zu einer „Bastelbiografie“ und somit auch zur „Risikobiografie“. Alles sei bis ins Kleingedruckte hinein entscheidbar, der Mensch werde folglich zur Wahl seiner Möglichkeiten, zum Homo Optionis.
Wie die schier ins Unermessliche gestiegene Zahl an Alternativen uns zusätzlich das Leben schwer macht, lesen Sie im kompletten Artikel „Homo optionis“ in unserem aktuellen Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Die Kunst sich zu entscheiden. Wie wir in unübersichtlichen Zeiten eine kluge Wahl treffen