Ausmisten für die Seele

„Endlich raus mit dem alten Kram!“, predigen Aufräumgurus und ziehen damit viele Menschen in ihren Bann. Was macht diesen Trend so verlockend?

 Foto zeigt einen jungen Mann, der ausmistet und Müll hinausträgt.
Mal wieder aufräumen: In den meisten Haushalten türmen sich Dinge, die weder gebraucht noch benutzt werden. © Getty Images

Im Januar 2019 mauserte sich eine Fernsehshow über das Ausmisten zum Hit auf Netflix. Innerhalb von nur einer Woche riefen 1,72 Millionen Nutzer Aufräumen mit Marie Kondo ab. Laut dem Branchendienst Quotenmeter schaffte es die Doku mit der zierlichen Japanerin damit als einzige nichtfiktionale Sendung unter die zehn meistabgerufenen Streamingformate in Deutschland.

Die Begeisterung für das Ausmisten ist Teil eines größeren Phänomens: Eine minimalistische Lebensweise scheint immer mehr Fans zu finden – in Deutschland, aber auch in den USA, in Großbritannien und vielen anderen Ländern. Auf Amazon findet der interessierte Leser eine ganze Bibliothek von Titeln wie Minimalismus. Mit Leichtigkeit zu mehr Ordnung, Glück und Zufriedenheit in Deinem Leben  oder Weniger kaufen, mehr besitzen!, die erläutern, wie man sein Leben durch weniger bereichern kann. Allein die Bücher von Marie Kondo wurden in 27 Sprachen übersetzt und weltweit sieben Millionen Mal verkauft.

Was macht das Ausmisten und Aufräumen oder gar die Vorstellung eines Lebens mit nur wenigen Besitztümern so anziehend? Viele Menschen verspüren heute ein Unbehagen angesichts der Exzesse der Konsumgesellschaft und des damit verbundenen Raubbaus an der Natur. Wir werden ständig mit Werbung bombardiert, die uns Produkte anpreist, von denen wir vor ein paar Jahren noch gar nicht wussten, dass wir sie brauchen. „Während einst ein Messer für hundert verschiedene Verrichtungen gebraucht wurde, gibt es heute einhundert verschiedene Messer für jeweils eine Verrichtung“, merkt der Psychoanalytiker Rolf Haubl in einem Aufsatz an.

In den meisten Heimen türmen sich nicht nur Messer, sondern Kleidung, Bücher, Sportgeräte und viele andere Dinge, die man weder braucht noch benutzt. Die Ausmist- und Simplifizierungsgurus versprechen eine Vielzahl von konkreten positiven Wirkungen auf die Psyche, wenn man sich vom Übermaß an Dingen befreit. Die Engländerin Karen Kingston beispielsweise listet in ihrem Buch Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags eine ganze Palette von Problemen auf, die man durch gründliches Ausmisten unter Kontrolle bringen könne: Energielosigkeit, Apathie, wirres Denken, Leben in der Vergangenheit, familiäre Konflikte, Übergewicht, Depressionen. Auch Marie Kondo verspricht, dass ihr Ansatz des Magic Cleaning dramatische Wirkungen auf das Denken und die Persönlichkeit habe: „Der Generalangriff auf das alltägliche Chaos macht uns zu selbstbewussten, zufriedenen, ausgeglichenen Menschen.“

Was dran ist an solchen Versprechungen, lesen Sie im vollständigen Beitrag „Ausmisten für die Seele“ aus unserem aktuellen Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Vom Glück des Weniger: Zu viel Leistungsdruck, zu viel Konsum, zu viel im Internet: Wie wir runterschalten und erfüllter leben

Artikel zum Thema
Leben
Wie kann ein Weniger an Konsum zu einem Mehr an Zufriedenheit beitragen? Und wie finden wir dabei das rechte Maß? Ein Lob der Reduktion.
Leben
Unser Leben ist zu vollgestopft: mit Gegenständen, Aktivitäten, Selbstverpflichtungen. Wie wir den Alltag und den Kopf entrümpeln.
„Alle, die ein Alkoholfreies trinken, sind Warmduscher!“ Verkaufszahlen 2023 lassen erstmals einen Trend weg von diesem Identitätsgefälle erahnen.
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute Compact 58: Vom Glück des Weniger
Anzeige
Psychologie Heute Compact 78: Was gegen Angst hilft