Wie das Gehirn uns froh macht

„Das Glück wohnt neben dem Großhirn“ heißt das Buch von Jeanne Rubner und Peter Falkai. Sie meinen: Glück ist vor allem ein Ergebnis unseres Denkens.

Das Glück boomt. In unserer Gesellschaft herrscht ein unstillbarer Bedarf an Lektüre, die uns Glücksgefühle erklärt und verrät, wie man sie einfängt. Selbst Autoren, die auf den ersten Blick wenig mit Glücksforschung zu tun haben, nehmen sich des beliebten Themas an. So auch die Verfasser von Das Glück wohnt neben dem Großhirn, Peter Falkai und Jeanne Rubner. Falkai ist ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum der LMU München. Rubner ist promovierte Biophysikerin, Journalistin und Autorin.

Entsprechend ihrer Expertise nähern sich die beiden Autoren dem Thema Glück auf molekularer Ebene – etwa durch ausführliche Diskussion wichtiger Neurotransmitter – und durch ausgiebige Auseinandersetzung mit Erkrankungen wie Depressionen und Süchten.

Zwar tauchen bei ihnen die „üblichen Verdächtigen“ der Glücksforschung und positiven Psychologie auf – etwa die amerikanischen Forscher Martin Seligman und Sonja Lyubomirsky. Auch berücksichtigen die Autoren einige soziale und gesellschaftliche Aspekte. Sie fragen etwa, ob Religion und Kinderhaben glücklich machen. Aber wirklich spannend ist ihr Buch nur dort, wo sie sich ihren Fachgebieten zuwenden.

Am Ende des vierten Kapitels halten sie fest: „Jedes Gehirn ist einzigartig und ein Produkt von Genen und Erfahrungen. Deshalb sind auch unsere Erwartungen und unser Glücksempfinden einzigartig.“ Die knappen Sätze täuschen darüber hinweg, dass die Autoren dank leicht verständlicher Erklärungen des Gehirnaufbaus und der neuronalen Verschaltungsmuster ihren Lesern gerade wertvolle Erkenntnisse darüber vermittelt haben, wieso manche Menschen geborene Froh- und Glücksnaturen sind – und anderen das Empfinden von Glück nur sehr viel schwieriger gelingt.

Das Glück ist mit dem Leben verwoben

„Mit dem Glücksgefühl signalisiert das Gehirn: Was du gerade tust und denkst, so wie du dich verhältst, das ist gut für dich“, schreiben die Autoren. Ausführlich schildern sie das heutige Wissen rund um das Belohnungsnetz – und zeigen den evolutionären Nutzen der Glücksgefühle. So erfährt der Leser: Die Ausschüttung von Dopamin, dem wichtigsten Botenstoff für die Erzeugung von Glücksgefühlen, soll im Grunde ein bestimmtes Verhalten nicht belohnen – sondern es fördern. „Wenn ich Hunger habe, muss das Belohnungssystem dafür sorgen, dass ich alles unternehme, um den Hunger zu stillen“, erklären die zwei Autoren. „Bin ich an meinem Ziel angelangt und kann Nahrung zu mir nehmen, dann ist es nicht mehr notwendig, dass dieser Vorgang durch eine größere Dopaminausschüttung zusätzlich belohnt wird.“

Die Vergegenwärtigung, dass Glücksgefühle im Grunde der Befriedigung essenzieller, überlebenswichtiger Bedürfnisse dienen, ist eine höchst willkommene Abwechslung zu den schlichten Weisheiten all der Ratgeber, die ihren Lesern profundes Glück „in nur zehn Schritten“ versprechen. Bei Rubner und Falkai ist Glück eben „keine objektive Größe. Wir können es nicht von unserem Leben trennen, es ist damit verwoben.“

Jeanne Rubner, Peter Falkai: Das Glück wohnt neben dem Großhirn. Wie der Kopf unsere Gefühle steuert. Piper, München 2018, 239 S., € 22,–

Artikel zum Thema
Gesundheit
Bin ich ein emotionaler Esser? Drei Bücher beleuchten die Frage, wie Emotionen das Essverhalten bestimmen und wie wir unseren Hunger verstehen lernen.
Gesundheit
Fasten ist wieder modern. Welche Auswirkungen hat es auf unseren Körper und auf unsere Psyche? Und: Was ist aus der spirituellen Dimension geworden?
Wie wir lieben, ist ständig im Wandel. Im Zeitalter der sozialen Medien stumpfe unsere Emotionswahrnehmung immer mehr ab, beklagt Rob Boddice. ​
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 2/2019: Zwischen Liebe und Pflichtgefühl
Anzeige
Psychologie Heute Compact 78: Was gegen Angst hilft