Was erleben Menschen auf der Suche nach einem Therapieplatz?

Zu teuer, zu weit weg, kein freier Platz – das Finden eines Psychotherapieplatzes ist mühsam. Vanessa Pantle hat erhoben, wie es Suchenden ergeht.

Eine junge Frau mit gelben Pulli hält einen gelben Luftballon vor ihr Gesicht, auf dem mit Filzstift, Augen und ein trauriger Mund gemalt sind
Zu teuer, zu weit weg, kein freier Platz: Die Enttäuschungen der Therapieplatzsuche können den psychischen Zustand verschlechtern. © Xavier Lorenzo/Getty Images

Sie haben Therapiesuchende befragt, um herauszufinden, ob die Psychotherapiereform aus dem Jahr 2017 die Suche nach einem Therapieplatz leichter gemacht hat. Wie sieht die Realität aus?

Die Suche wurde von der Mehrheit der von uns befragten 45 Personen als frustrierend und mühsam geschildert. Es nagte sehr an einigen von ihnen, dauernd abgewiesen zu werden. Die speziellen Umstände, in denen sich Betroffene befinden, werden auch nach der Reform noch nicht ausreichend berücksichtigt. Beispielsweise fehlt einigen die Kraft, um E-Mails zu schreiben oder Telefonate zu führen; ebenso kann es aufgrund eines niedrigen Selbstwertgefühls oder geringer Fähigkeit zum Aushalten von Frustrationen schwierig für sie sein, mit Absagen umzugehen, da sie dies als Zurückweisung erleben. Im Suchprozess wird aber genau das erwartet, was Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung häufig nicht leisten können, weswegen einige äußerten, durch die Suche sogar zusätzlich belastet gewesen zu sein.

Haben alle Befragten innerhalb von drei Monaten einen Therapieplatz gefunden?

Bei einem Drittel war das der Fall oder diese Personen hatte einen Platz in Aussicht. Mehr als die Hälfte der Personen hatte nach dieser Zeit keinen Therapieplatz gefunden und neun Prozent erklärten, dass sie keinen Bedarf mehr gesehen und deswegen kaum gesucht hätten.

Welche Erlebnisse haben die Menschen, die Sie befragt haben, geschildert?

Viele erwähnten die aus ihrer Sicht mangelnde Erreichbarkeit der Praxen. So seien häufig Anrufe – auch während der telefonischen Erreichbarkeit der Psychotherapeutinnen oder -therapeuten – und E-Mails nicht beantwortet worden. Wenn eine Rückmeldung erfolgte, sei es häufig eine Absage gewesen oder die angebotenen Therapiezeiten seien nicht mit dem Alltag vereinbar gewesen. Viele Betroffene wünschen sich deswegen mehr Psychotherapeutinnen und –therapeuten mit Kassenzulassung. Außerdem fühlten sich einige nicht ausreichend informiert, beispielsweise über die unterschiedlichen Therapieverfahren, und wussten daher nicht, ob sie eher nach einer Verhaltenstherapie oder einem psychodynamischen Verfahren suchen sollten.

Sie sagen, dass die Suche von einigen als eine Art Bewerbung erlebt wurde.

Ja. Dabei gab es manchmal zwei Gruppen: Ein Teil empfand es so, dass sie nicht krank genug seien und sie deshalb gar kein Recht auf eine Therapie hätten. Diese Befragten berichteten, dass sie ihre Beschwerden bewusst übertrieben hätten, um nicht abgewiesen zu werden. Die andere Gruppe tat das Gegenteil: Aufgrund der Befürchtung, allzu krank zu sein und deshalb nicht angenommen zu werden, spielten sie ihre Beschwerden herunter.

Vanessa Pantle ist Psychologische Psychotherapeutin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsmedizin Mainz.

Quelle

Vanessa Pantle u.a.: „Wie soll mir denn eine Therapie helfen, wenn ich schon daran scheitere, sie mir zu organisieren?“ Eine qualitative Studie zu Erfahrungen von Therapiesuchenden einer ambulanten Psychotherapie. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, 2024. DOI: 10.1026/1616-3443/a000752

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