Endlich Ruhe

​ Anders Bortne suchte 16 Jahre lang nach einer Lösung für seine Schlafprobleme und schildet seine Erfahrungen in einem neuen Buch.

Marilyn Monroe war schlaflos. Auch van Gogh und Michael Jackson waren es und litten. Die ruhelose Margaret Thatcher weigerte sich zu leiden und drehte den Spieß um, indem sie angriff: “Sleep is for wimps” – Schlaf ist etwas für Weicheier. Die Schlafforschung und der Autor des Buches Schlaflos, Anders Bortne, wissen es besser. Thatcher kann von Glück sagen, dass sie zwischendurch ein wenig Schlaf fand, sonst wäre es ihr so ergangen wie dem Chinesen Jiang Xiaoshan, der nach elf schlaflosen Tagen tot war. Er schaute bei der Europameisterschaft 2012 nachts alle Fußballspiele an und zwang sich, tagsüber zu arbeiten. Bortne, der diese Geschichte von Xiaoshan erzählt, hat ein glänzendes Buch über den Schlaf und dessen Abwesenheit geschrieben – sein fluoreszierendes Cover macht es in schlaflosen Nächten leicht auffindbar.

Bortne ist Schriftsteller, Jurist, Redenschreiber im norwegischen Justizministerium, Comiczeichner, Musiker, Familienvater. Dieses erste Sachbuch hat er aus Not geschrieben, denn er ist seit 16 Jahren von Insomnie geplagt und hat alles versucht, um herausfinden, warum er nicht schlafen kann. Ist es Stress? Ist es nur der späte Kaffee? Steht das Bett am falschen Platz? Stört zu viel blaues Bildschirmlicht die Melatoninbildung vor dem Einschlafen?

Zuerst trank er mehr Alkohol, dann weniger und dann gar keinen mehr. Er nahm Baldrian, Kräutertees, Bäder. Meditierte im Lotussitz mit den Handflächen gen Himmel. Er las Ratgeber, nahm schließlich Tabletten. Als diese nicht mehr halfen, versuchte es ein Arzt mit einem Medikament, das man bei bipolaren Störungen einnimmt.

Den Schlaflosen ein Kompass

Das Buch kann anderen Schlaflosen zum Kompass werden. Souverän mischt der Autor das Selbsterlebte mit dem Recherchierten, also dem Stand der Forschung. Man erfährt, warum die Evolution den Schlaf erfunden hat, welche Diagnosen von Insomnie es gibt und was im Gehirn passiert, wenn wir zu wenig schlafen.

Das Erzähltalent Bortne verrät, wie unsere Urahnen schliefen, lässt uns teil­haben an seinen Gedanken, was Facebook mit seiner Psyche anstellt, und analysiert die Unruhe, die das moderne Leben uns eingebrockt hat. Schließlich meldet er sich von allen Social-Media-Kanälen ab.

Bortne findet – zu seiner Empörung rein zufällig – eine Behandlungsmetho­de, die in den USA und Norwegen als „Goldstandard“ gilt: eine kognitive Verhaltenstherapie, maßgeschneidert für Schlaflose. Mit rigidem Training soll der Tag-Nacht-Rhythmus wiedergefunden werden. Man muss ein Schlaf­protokoll führen und nach jeder Nacht die Schlafeffizienz in Prozent errechnen. Durch rigoroses Steuern der Stunden, die man im Bett verbringen darf, wird ein derartiger Schlafdruck erzeugt, dass einen schon beim Lesen die Sehnsucht nach einem Nickerchen über­fällt. Hat der Übende eine bestimmte Effizienz erreicht, darf er eine Viertelstunde eher ins Bett.

Anders Bortne findet es befreiend, nicht mehr nach dem Warum zu fragen, sondern einfach das Training zu absolvieren. Er ist auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel.

Anders Bortne: Schlaflos. Wie ich nach tausend Nächten endlich Ruhe fand. Aus dem Norwegischen von Sabine Richter. Mairisch, Hamburg 2020, 232 S., € 22,–

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