Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein heißt das Buch von Benjamin Maack, der als Schriftsteller, Journalist und Musiker produktiv ist. Über diesen Text zu schreiben ist nicht leicht. Weil keine Rezension auch nur im Entferntesten dem entsprechen und das wiedergeben kann, was Maack in diesem Bericht über seine Depression sprachlich, emotional und inhaltlich entfesselt. Das Buch besteht aus 220 Notaten, die das Zerstückelte, Zersprengte der Erfahrungen des Autors auch formal spürbar werden lassen. Dazu einige Facebook-Einträge und, wie eine geduldige Stoppuhr mitlaufend, das Fortschreiten in dem Computerspiel Angry Birds Match von Level 11 bis Level 366.
Maacks Erfahrungsbericht ist erschütternd, präzis, schutzlos. Immer wieder vergegenwärtigt der Autor in unpathetischer Klarheit, wie bodenlos oft die Kommunikation zwischen seiner Welt und dem Außen ist – Pflegern, Ärzten, Freunden. Dabei ist die Vergegenwärtigung seines Klinikaufenthalts an keiner Stelle getragen von einem Einer flog über das Kuckucksnest-Protest. Die Kritik ist leise. Schon das schlichte, leitmotivisch eingeblendete „Na, wie geht es Ihnen?“ inmitten von Zeugnissen grausamer Abstürze vermittelt, wie monströs diese Frage ist.
Das Grauen, das eine Depression bedeuten kann, durchzieht den Text bis hinein in die Entlassung aus der Psychiatrie: Die Enttäuschung des Autors, als er realisiert, dass das eigene Leben immer noch nicht auszuhalten ist. Das Entsetzen darüber, dass er sich selbst von seiner Frau und seinen Kindern grausam fern, abgetrennt fühlt. Unentrinnbar das Gefühl der Aussichtslosigkeit – obwohl er schon einmal einer depressiven Phase entkommen ist.
Sich mitreißen lassen in den Abgrund
Damals, so erzählt Maack jetzt, habe er eine Rede gehalten, darin die Überwindung seiner Depression gepriesen, und er fügt in bitterem Zorn hinzu: „Wenn ich mich heute hören würde, würde ich versuchen, den Typen zu treffen, ich würde ihn bitten, mir zu helfen. Mir zu sagen, was ich tun soll. Gibt ihn aber nicht mehr. Und ich weiß nicht mal, was mit ihm passiert ist, ich weiß nicht, wann er verschwunden ist. Er hat auch keine Nachricht hinterlassen, ob er plant wiederzukommen.“
Es gibt wuchtigere, sehr traurige Passagen in diesem Buch, die nur schwer zu ertragen sind. Doch die poetische Klarheit, mit der Maack seine Hoffnungslosigkeit und den Verlust seiner selbst sowie aller Koordinaten eines gelingenden Lebens vermittelt, macht das Buch zu einem beeindruckenden Stück Literatur.
Der zugleich faszinierende wie beängstigende Sog, den es entfaltet, ruft allerdings auch Zweifel wach: Darf ein solches Buch überhaupt empfohlen werden? Zwar möchte man es jedem Psychologen, Psychiater und Arzt ans Herz legen. Aber was, wenn es jemand in die Hände bekommt, der sich mitreißen lässt in den Abgrund?
Auf den letzten Seiten gibt der Autor selbst eine kluge Antwort auf diese Frage. Das Buch ist ehrlich. In seiner schmerzhaften Düsternis und Hellsichtigkeit, aber auch in seinem erleichterten Aufatmen und den ernsten, ermutigenden Sätzen am Schluss.
Benjamin Maack: Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein. Suhrkamp, Berlin 2020, 333 S., € 18,–