Eine gute Bildung und Friedenszeiten senken das Ausmaß, in dem Menschen im Lauf ihres Lebens an körperlichen Beschwerden leiden. Zu diesem Fazit kommt ein deutsches Forscherteam der Universitätsmedizin Mainz, des Universitätsklinikums Köln und der Universitätsmedizin Leipzig in einer jetzt veröffentlichten Studie.
Die Autoren haben in den Jahren 1975, 1994 und 2013 in den westdeutschen Bundesländern Personen zwischen 18 und 60 Jahren zu ihrem körperlichen Wohlbefinden befragt. Die drei Stichproben umfassten zwischen 1290 und 1601 Frauen und Männer. Sie wurden gebeten, Auskunft darüber zu geben, ob sie Herz-Kreislauf-Probleme, Verdauungsstörungen, Beschwerden an Muskeln oder Skelett hatten oder sich erschöpft fühlten.
Die drei häufigsten Beschwerden in allen drei Jahrzehnten waren Rückenbeschwerden, Nacken- und Schulterschmerzen sowie Müdigkeit. Klagten in den ersten beiden Erhebungen vor allem ältere Menschen und Frauen über somatische Beschwerden, drang 2013 ein anderer Faktor in den Vordergrund: Bildung. Wer im neuen Jahrtausend einen niedrigeren Schulabschluss aufwies, litt unter mehr körperlichen Problemen. Andersherum bedeutet das auch: Mit besseren Bildungschancen gehen viele Menschen heute unbelasteter als frühere Generationen durchs Leben. Wie man aus anderen Studien weiß, zeigen Menschen mit einer höheren Bildung oft ein gesundheitsbewussteres Verhalten, etwa was Ernährung und Bewegung betrifft.
Doch auch ganz unabhängig von der Schulbildung berichteten die Befragten der späteren Jahrgänge insgesamt über deutlich weniger Beschwerden als noch die Studienteilnehmer aus dem Jahr 1975. Lag der mittlere Beschwerden-Score in der ersten Erhebung bei Männern noch bei 5,5 Punkten und bei Frauen bei 8,0 Punkten, fiel er in der Stichprobe von 2013 auf 3,7 beziehungsweise 5,0 Punkte. Die Forscher hat dies überrascht, hatten sie doch angesichts der steigenden Zahlen von hohem Übergewicht, der vielen Einzelhaushalte und der rasanten Alterung der Gesellschaft mit mehr Problemen gerechnet.
Die Forscher erklären sich den Rückgang von Beschwerden mit einem verbesserten Gesundheitssystem, aber auch damit, dass die Probanden der Befragung von 1975 zwischen 1915 und 1944 geboren wurden, also den Zweiten, manche gar den Ersten Weltkrieg miterlebt hatten. Diese Erfahrungen von Bedrohung, Verlust sowie Zeiten des Hungers und der Mangelernährung seien in den Daten von 1975 abzulesen. Die jüngeren Nachkriegsgenerationen hingegen seien in Wohlstand aufgewachsen. „Ein verbessertes subjektives Wohlbefinden und eine behinderungsfreie Lebenserwartung könnten die Zahl der Symptome in den Altersgruppen gesenkt haben“, schreiben die Studienautoren.
Das einzige Symptom, das in der jüngsten Generation deutlich häufiger vorkam, war bei Frauen zwischen 41 und 60 Jahren die Erschöpfung. Dies führen die Forscher auf die erhöhte Doppelbelastung durch Arbeit und Mutterschaft zurück.
DOI: 10.1038/s41598-020-58602-6