Das gemalte Leiden

Wenn Patienten ihre Krankheit zeichnen.

„Zeichnen Sie Ihre Krankheit.“ Diese Bitte hören Patienten seit den 1980ern weltweit immer häufiger. Wissenschaftler und Therapeuten möchten anhand der Bilder feststellen, wie Betroffene ihre körperliche Erkrankung wahrnehmen und erleben. Dabei arbeiten sie sowohl mit Erwachsenen als auch mit Kindern.

Ein Forschungsteam der Gesundheitspsychologin Elizabeth Broadbent von der University of Auckland in Neuseeland trug nun zum Thema Patientenbilder 101 Studien aus den letzten rund 60 Jahren zusammen und wertete sie aus. Sie stammen aus 29 Ländern, hauptsächlich aus den USA und den Niederlanden, aber auch etwa aus Indien und Pakistan sowie afrikanischen Ländern wie Zimbabwe.

„Viele der Fachartikel, besonders die seit 2003, dokumentieren Korrelationen zwischen den Bildern und dem Krankheitsverlauf“, beobachtete Broadbents Team. So erlebten jene Patienten mehr Komplikationen bei ihrer Genesung, die ihr Leiden auffällig großdimensioniert gemalt hatten. Größere Zeichnungen schienen generell mit einem höheren Schweregrad der Erkrankung einherzugehen. Allerdings zeichneten Kinder mit besonders starken Schmerzen aufgrund von Erkrankungen wie Zerebralparese sich selbst auffällig klein.

Herz samt Blutgerinnsel

„Der Großteil der Patientenzeichnungen stellte den Typ der Erkrankung in den Mittelpunkt“, berichtet Broadbents Team. So zeichneten beispielsweise Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten hatten, anatomisch nahezu korrekte Herzen samt einem Blutgerinnsel. Das zweithäufigste Motiv der Patientenbilder waren die Emotionen, die die Krankheiten in ihnen wachriefen. Obgleich deutlich seltener, stellten einige der Zeichnungen auch die Ursachen der Erkrankung und ihren chronologischen Verlauf dar.

Ausgehend von den Studienbefunden, halten Broadbent und ihre Kollegen das Zeichnen für eine wertvolle Interventionsstrategie: „Es kann helfen, problematisches Erleben von Krankheiten zu identifizieren, es entsprechend medizinisch und psychologisch anzugehen und auf diese Weise die Genesung zu fördern.“

ANNA GIELAS

DOI: 10.1080/17437199.2018.1558088

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 5/2019: Bin ich gut genug?
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