Geschichte der Psychologie: die 1980er Jahre

Die „kognitive Wende“ ist in vollem Gange und Antidepressiva kommen in Deutschland auf den Markt – doch die 80er haben noch viel mehr zu bieten.

Meilensteine der Psychologie aus den 1980er Jahren
Geschichte der Psychologie: das sind die Meilensteine aus den 1980er Jahren. © Psychologie Heute

Unserer 50 Jahre Psychologie Heute Jubiläumsausgabe (Heft 10/2024) haben wir eine besondere Überraschung beigelegt: ein hochwertiges Wissensposter mit den Meilensteinen der Psychologie aus den letzten 50 Jahren. Für unsere Online-Leserinnen und -Leser haben wir die – aus unserer Sicht – wichtigsten Ereignisse getrennt nach Jahrzehnten aufbereitet. Hier kommt das Wichtigste aus den 80er Jahren:

1980

Das amerikanische Diagnostikmanual DSM-III erscheint. Die Diagnosen sind nun weniger theoriegeleitet und orientieren sich eher pragmatisch an Symptomen. Es führt u. a. die Diagnose Posttraumatische Belastungsstörung ein.

Der 22. Internationale Kongress für Psychologie (International Congress of Psychology, findet alle vier Jahre an einem anderen Ort auf der Welt statt) wird in Leipzig in der DDR begangen, in Erinnerung an die Gründung von Wilhelm Wundts Institut für experimentelle Psychologie zu Leipzig im Jahr 1879.

1981

In München wird das Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung gegründet. Es geht 2004 im MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften mit Sitz in Leipzig auf.

1982

Der Internationale Wissenschaftsrat (ICSU) schreibt ein Forschungsprojekt zur Mensch-Computer-Interaktion aus, das von den DDR-Psychologen Friedhart Klix und Hartmut Wandke geleitet wird.

Auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) in Mainz wird im September erstmals ein Preis für Wissenschaftspublizistik und Wissenschaftskommunikation im Bereich Psychologie verliehen. Er geht an Dieter E. Zimmer von der Zeit.

Porträt von Paul Watzlawick
Psychotherapeut und Philosoph Paul Watzlawick: Bestseller mit Anti-Ratgeber
Porträt von Paul Watzlawick
Psychotherapeut und Philosoph Paul Watzlawick: Bestseller mit Anti-Ratgeber

1983

Der Psychotherapeut und Philosoph Paul Watzlawick landet mit dem Anti-Ratgeber Anleitung zum Unglücklichsein einen Millionen-Bestseller.

In den 1980er Jahren ist die „kognitive Wende“ in der Psychologie in vollem Gang. Einer ihrer wichtigsten Protagonisten ist der US-amerikanische Psychologe Ulric Neisser. In der Psychologie Heute-Ausgabe 8/1983 erklärt er, warum Computer keineswegs „denken“ wie ein Mensch.

Das „Libet-Experiment“ des amerikanischen Neurophysiologen Benjamin Libet weckt Zweifel am freien Willen: Im Gehirn ist das Einleiten einer Handlung schon vor dem Willensbeschluss erkennbar.

1984

Der amerikanische Politikwissenschaftler James R. Flynn entdeckt den „Flynn-Effekt“: Er stellt fest, dass über die Jahrzehnte hinweg die Leistungen im Intelligenztest stetig stiegen (in jüngster Zeit hingegen ist der IQ eher im Abwärtstrend).

Der Psychologe Jerome Kagan schildert in seinem Buch The Nature of the Child, wie das Temperament eines Kindes von Geburt an dessen Entwicklung beeinflusst.

Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) kommen als Antidepressiva hierzulande auf den Markt.

1985

Der Bundesgerichtshof entscheidet am 4. Juli, dass sich nur Personen mit abgeschlossenem Hochschulstudium in Psychologie als „Psychologin“ oder „Psychologe“ bezeichnen dürfen.

1986

Auf dem Psychologiekongress in Heidelberg beklagt Franz Weinert die hohe Arbeitslosigkeit in dem Fach (76 offene Stellen, 5839 Bewerberinnen und Bewerber). Heute konstatiert die Deutsche Gesellschaft für Psychologie: „Psycholog*innen sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt wie nie“.

Das Diagnostik- und Testkuratorium (DTK) wird gegründet. Es ist ein Gremium der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen, das u. a. die Qualität von Tests und ihre Anwendung überwacht sowie diagnostische Leitlinien entwickelt.

Porträt Christa Rohde-Dachse
Christa Rohde-Dachser: Psychoanalytikerin, Soziologin und Professorin (em.) für Psychoanalyse.
Porträt Christa Rohde-Dachse
Christa Rohde-Dachser: Psychoanalytikerin, Soziologin und Professorin (em.) für Psychoanalyse.

1987

In einer erweiterten Fassung seines Buches The Life Cycle Completed beschreibt der Psychoanalytiker Erik H. Erikson die menschliche Entwicklung als einen lebenslangen Prozess, der in Stufen verläuft. Für jede Phase formuliert er Entwicklungsaufgaben.

Die Soziologin und Psychoanalytikerin Christa Rohde-Dachser übernimmt als erste Frau den renommierten Lehrstuhl für Psychoanalyse an der Frankfurter Goethe-Universität.

Marsha M. Linehans Dialektisch-Behaviorale Therapie läutet die dritte Welle der Verhaltenstherapie ein, die Ansätze wie Achtsamkeit, Akzeptanz oder die Arbeit mit ungünstigen Beziehungsmustern integriert. Verfahren wie Schematherapie sowie Akzeptanz- und Commitmenttherapie folgen.

Illustration einer Frau beim Gewichte heben mit einem Bleistift im lächelnden Mund
Facial-Feedback-Hypothese: Macht Lächeln glücklich?
Illustration einer Frau beim Gewichte heben mit einem Bleistift im lächelnden Mund
Facial-Feedback-Hypothese: Macht Lächeln glücklich?

1988

Die Psychologieprofessorin und Altersforscherin Ursula Lehr wird am 9. Dezember zur Bundesministerin für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit im Kabinett Kohl ernannt.

Der Sozialpsychologe Fritz Strack beobachtet, dass Personen einen Cartoon lustiger finden, wenn sie einen Stift so zwischen den Zähnen halten, dass ihr Mund ein „Lächeln“ formt. Damit stützt er die sogenannte Facial-Feedback-Hypothese, nach der die Gefühlserfahrung vom Gesichtsausdruck beeinflusst wird (der Effekt ist schwach und konnte nicht durchweg repliziert werden).

Buchcover Positive Illusions
Positive Illusions: ist Selbsttäuschung womöglich etwas Gutes?
Buchcover Positive Illusions
Positive Illusions: ist Selbsttäuschung womöglich etwas Gutes?

1989

In ihrem Buch Positive Illusions zeigt die Sozialpsychologin Shelley E. Taylor, dass wohlwollende Selbsttäuschungen oft hilfreich bei der Lebensbewältigung sind.

Die Zeitreise durch die Geschichte der Psychologie geht weiter – kommen Sie mit?

Psychologie Heute: Ausgabe 1 und Jubiläumsheft lesen

Schon gewusst? Eine Neuauflage der Ausgabe 1 von 1974 können Sie als nostalgisches Re-Print oder als PDF bestellen.

Das 50 Jahre Jubiläumsheft Psychologie Heute 10/2024 inklusive Wissensposter mit den Meilensteinen der Psychologie können Sie ebenfalls online bestellen.

Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 10/2024: Bin ich gestresst oder habe ich ADHS?
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