Schon die bloße Konfrontation mit einer fiktiven Verschwörungserzählung über das Coronavirus erwies sich in einer Studie als problematisch: Sie zu lesen, ließ bei den Teilnehmenden das Vertrauen in Institutionen und die Regulierungen der Regierung sinken und verringerte ihre Bereitschaft, wegen des Coronavirus Abstand zu halten – obwohl die Geschichte nur als mittelmäßig plausibel eingestuft wurde. Studieninitiatorin Lotte Pummerer vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen erklärte gegenüber Psychologie Heute: „Das hat uns auf drastische Weise bewusst gemacht, wie schnell sich kurzfristig Einstellungen ändern können, wenn man diese Geschichten nur liest.“
Dadurch entwickele sich zwar nicht zwingend ein stabiler Glaube an Verschwörungstheorien. Dies passiere eher schleichend und sei ein längerer Prozess. Werde die Geschichte aber nicht widerlegt, würden nicht andere Nachrichten gelesen und kämen Menschen öfters mit den Theorien in Kontakt, könne dieser Prozess in Gang kommen. Was gegen die starke Wirkung helfen könnte, sei das, was Psychologinnen und Psychologen inoculation nennen: Wer vorher erfährt, dass solche unwahren Geschichten kursieren könnten, werde nicht so überrascht davon und könne sich besser mental dagegen wappnen, meint Pummerer.
Das Team befragte 425 Erwachsene in Dänemark, wie sehr sie einzelnen Sätzen mit verschwörungstheoretischem Inhalt zustimmten, ließ einem Teil von 242 weiteren Personen aus Deutschland eine fiktive Erzählung lesen: Ein großes deutsches Unternehmen habe sich heimlich mit dem Staat zusammengetan, um medizinische Daten von Bürgerinnen und Bürgern zu sammeln und digital zu speichern. Die Autorinnen und Autoren der Studie sehen in den Ergebnissen einen Beleg dafür, dass die Verbreitung einer politischen Covid-19-Verschwörungserzählung die Eindämmung der Pandemie verzögern kann.
Lotte Pummerer u. a.: Conspiracy theories and their societal effects during the COVID-19 pandemic. Social Psychological and Personality Science, 31/1, 2022. DOI: 10.1177/19485506211000217