Wir brauchen regelmäßig Schlaf, Essen und Bewegung. Wir haben aber auch psychologische Bedürfnisse: Wir wollen selbst entscheiden, anderen nahe sein und Erfolg haben. Allerdings nehmen wir die gleichen psychologischen Bedürfnisse bei anderen weniger wichtig als bei uns selbst, dies zeigen Psychologen in sechs Studien. Der Grund: Weil psychologische Bedürfnisse anderer nicht sichtbar sind, neigen wir dazu, ihnen keine Bedeutung beizumessen. Das führt dazu, dass wir andere abwerten. Wir unterstellen ihnen mangelnden Verstand und ein nur gering ausgeprägtes Gefühlsleben.
Für die Studien hatten Forscher einen wissenschaftlichen Fragebogen (needs scale) entwickelt, der in Grundzügen auf der Bedürfnispyramide von Maslow beruht. Diese Skala, die in dieser Form empirisch nicht bestätigt ist, gebe Vorstellungen von Laien über unsere eigene und die Bedürfniswelt anderer gut wieder, erklären die Psychologen. Darüber hinaus setzten sie noch die dehumanization scale ein, die erfasst, inwieweit wir anderen ihre Menschlichkeit absprechen. Sodann ließen die Forscher ihre Teilnehmer einschätzen, wie wichtig physische und psychologische Bedürfnisse anderer für sie seien, etwa von Älteren, Kindern, Drogensüchtigen, Wohnungslosen, von ihren Freunden, unbekannten Gleichaltrigen, aber auch von Affen oder einem Gott.
Insgesamt rund 1900 Erwachsene aus allen gesellschaftlichen Bereichen wurden befragt. Die meisten Probanden glaubten, ihre psychologischen Bedürfnisse seien bedeutsamer als ihre körperlichen – und sprachen anderen genau dies ab. Einige gingen zum Beispiel davon aus, dass für Wohnungslose ihre physischen Bedürfnisse am wichtigsten seien – diese sahen das aber ganz anders.
Ein solches Denken beeinflusst unser Hilfeverhalten. Indem wir anderen mangelnden Verstand und wenig emotionale Kapazität zutrauen, neigten wir zu Paternalismus, so die Psychologen.
Juliana Schroeder, Nicholas Epley: Demeaning: Dehumanizing others by minimizing the importance of their psychological needs. Journal of Personality and Social Psychology, 2020. DOI: 10.1037/pspa0000199