Die Depression, ein Paarleiden

Wenn ein Mensch an Depression erkrankt, belastet das die Beziehung sehr. Doch in der Therapie kann die Partnerschaft eine Brücke zur Genesung sein.

Illustration zeigt ein Paar, dass sich traurig an einem Tisch gegenüber sitzt
Erkrankt ein Mensch an Depression, leidet immer auch die Partnerschaft. © Alice Wellinger

Die Veränderung kam schleichend. Sibylle Hauck bemerkte zunächst nur, dass sich ihr Mann mehr und mehr in die Arbeit flüchtete. Der Softwareentwickler begann, sogar zu Hause Fachliteratur zu lesen, statt am Leben der fünfköpfigen Familie teilzuhaben. Zusehends war er gereizt. „Wenn er nach Hause kam, sagte ich: Kinder, der Papa kommt! Alle wussten, dass sie erst einmal ins Zimmer gehen mussten. Obwohl ich versuchte, alles perfekt zu machen, wurde er immer unzufriedener.“ Bei einer Wanderung mit den Dorfbewohnern und auch in der Kita brüllte er manchmal. Kurz darauf hatte er an seinem Arbeitsplatz einen geistigen Aussetzer: Der Softwareentwickler konnte plötzlich seinen eigenen Programmiercode nicht lesen.

„Das war der erste Knall im Jahr 2003“, erinnert sich Sibylle Hauck. Damals wurde ein Burnout bei Uwe Hauck diagnostiziert. Das ist zwar bis heute keine anerkannte Erkrankung, aber eine Erklärung: Überlastung war im Spiel. Erst viel später wurde klar: Uwe Hauck litt unter einer Depression.

Doch nicht nur er litt. Sibylle Hauck ist einer von vielen Menschen an der Seite eines depressiven Partners. Die gesunden Angehörigen stehen nicht im Fokus der Therapeuten und Ärzte, auch nicht der Medien. Freunde und Verwandte wissen nicht, welche Herausforderung sie infolge der Depression meistern.

Dabei gibt es durchaus Forschung zu dieser Frage – mit alarmierenden Erkenntnissen: Die Qualität einer Partnerschaft bleibt von der Krankheit nicht unberührt. Eine langanhaltende Depression verschlechtert die Beziehung. Und eine schlechte Beziehung befeuert wiederum die Depression. Der gesunde Part hat viele Bürden zu tragen: Die Rollenverteilung gerät in Schieflage. Die nicht erkrankten Frauen etwa sind sodann Berufstätige, Ernährerin, Pflegende, Mutter und Haushaltschefin in einem. Schuld und Ohnmacht, aber auch die Stigmatisierung der Erkrankung belasten sie zudem oft. Während depressiver Episoden ist die Kommunikation mit dem erkrankten Partner erschwert. Nicht wenige Beziehungen gehen in die Brüche. Und das, obwohl ein positiver Ausgang denkbar und der in die Genesung führende wäre.

Nicht jedes Paar zerbricht an der Krankheit

„Ich erlebe es immer wieder, dass Paare mit einem Beziehungskonflikt kommen, und dann stellen wir fest, dass bei einem Partner eine Depression vorliegt“, sagt die Züricher Psychotherapeutin Ulrike Borst, Autorin des Buches Leben mit einem depressiven Partner. „Oder sie kommen, weil bei einem von beiden eine Depression vorliegt und die Beziehung eine Teil­ursache ist.“

„Die Depression ist eine Paarkrankheit“, sagt die britische Gesundheitswissenschaftlerin Susan McPherson von der University of Essex. Das mag eine Zuspitzung sein. Aber gründlich belegt ist, dass Depression und Paarbeziehung sich wechselseitig stark beeinflussen. Die größte Studie dazu kommt aus Australien. Seit über 25 Jahren befragen Gesundheitswissenschaftler in Brisbane über 3600 Frauen nach ihrem Befinden und der Qualität ihrer Partnerschaft. Zweifelsfrei konnten sie belegen, dass eine Depression das Miteinander belastet. Partnerschaften zerbrechen häufiger. Umgekehrt führt eine schlechte Ehe jedoch auch dazu, dass sich leichter eine Depression entwickelt. „Es ist nicht klar, was Henne und Ei ist: Wird einer depressiv, weil die Beziehung schlecht ist, oder wird die Beziehung schlecht, weil einer depressiv ist? Wir gehen davon aus, dass beide Wirkrichtungen existieren“, erklärt der Psychiater Klaus-Thomas Kronmüller.

Er hat diese Paardynamik empirisch untersucht. Über zehn Jahre hinweg befragte er 50 Paare nach ihrem Gesundheitszustand und der Zufriedenheit miteinander. 26 Patienten hatten während der Zeit mindestens eine depressive Episode. Die Bindungen der Betreffenden verschlechterten sich nach und nach und fielen im Vergleich zu den anderen Paaren ab. Doch nur acht Paare trennten sich. „Das Risiko für eine Trennung ist etwas erhöht. Doch es ist nicht so, dass jedes Paar an der Krankheit zerbricht“, stellt Kronmüller klar.

Die Krankheit zehrt an der Liebe

Nicht nur deshalb hält es Therapeutin Ulrike Borst für falsch, in der Arbeit mit betroffenen Paaren eine Trennung ins Gespräch zu bringen: „Das würde ich nie tun. Das betroffene Paar muss es selbst erkennen, wenn die Beziehung nicht mehr trägt.“

Riskant wird es vor allem dann, wenn die Depression anhält und sich immer weiter verschlechtert. Die Krankheit zehrt dann an der Liebe. „Ältere Patienten blieben dennoch eher beim Partner als jüngere“, sagt Kronmüller. „Das deutet auch darauf hin, dass jene, die auf viel gemeinsames Erleben in gesunden Jahren zurückschauen können, tragfähigere Beziehungen in der Krisenzeit haben.“

Positiv wirkte es sich auch aus, wenn die Partner einander trotz Depression ihre Gefühle zeigen und mitteilen konnten. Diese emotionale Verbundenheit entlastet generell, wie man auch aus anderen Studien, etwa mit Angehörigen von Pflegebedürftigen, weiß: Die Fürsorge fällt leichter, wenn der Kranke dankbar und empathisch reagiert. „Wer an einer Depression leidet, kann aber oft kein emotionales Feedback geben. Aufgrund der fehlenden Schwingungsfähigkeit bricht die Kommunikation schnell ab“, erläutert Kronmüller. Das ist besonders belastend für den Angehörigen.

Schuld und Ohnmacht

Für Sibylle Hauck war dieses Gefühl des Abgeschnittenseins sogar die schlimmste Erfahrung. Kurz nach der Diagnose des Burnouts verschlechterte sich der Zustand ihres Mannes weiter: „Ich sah, wie er auf diese Wand zulief, und ich kam nicht an ihn ran. Er hörte sich alles an. Danach war es, als hätte ich nichts gesagt“, schildert sie. In dieser schweren Zeit habe sie an Trennung gedacht.

Das zweite Deutschland-Barometer Depression nahm 2018 zum ersten Mal Paare und das soziale Umfeld in die Nahaufnahme. Dafür befragten die Forscher um den Münchner Psychiater Ulrich Hegerl zunächst 1070 Erkrankte. Dabei sprang die soziale Komponente der Krankheit ins Auge: 84 Prozent zogen sich aus Kraftlosigkeit und mangelndem Interesse aus Beziehungen zurück. Das betraf Freundschaften und genauso die Familie. Auch Sibylle Hauck spürte, wie sich ihr Mann abkapselte: „Wir waren wie ein Störfaktor für ihn. Und da wir als Familie begannen, ohne ihn zu funktionieren, war er ein Störfaktor für uns.“

Hegerls Team erkundigte sich dann gründlicher bei jenen, die Paarprobleme schilderten. 84 Prozent der Erkrankten fühlten sich während der Depression vom Partner unverstanden. Ein ebenso großer Anteil stritt sich aus diesem Grund. Die Trennungsrate lag mit 45 Prozent deutlich über dem Durchschnitt. Die gesunden Partner wiederum ärgerten sich oft über den Erkrankten. Drei Viertel fühlten sich schuldig und für die Genesung verantwortlich.

Pendeln zwischen Fürsorge und aggressiver Abwendung

Schuld und Ohnmacht sind am Anfang einer Depression die mit Abstand dominierenden Gefühle beim gesunden Part. Kronmüller zufolge ist besonders die Hilflosigkeit schwer auszuhalten, weil immer wieder Hoffnung aufkeimt. „Wenn ich bemerke, dass es meinem Partner schlechtgeht, wende ich mich ihm zu. Nur: Bei einer Depression verändert das nichts. Dann bin ich enttäuscht. Ich wende mich ab und werde aggressiv. Dann denke ich, dass mein Partner nicht anders kann, und komme wieder in die Fürsorge. Dann bin ich wieder enttäuscht und erschöpft. Häufig beobachten wir ein solches Pendeln zwischen Fürsorge und aggressiver Abwendung beim gesunden Partner.“ Dazu trägt auch bei, dass eine Depression für Laien schwer fassbar bleibt, wohingegen ein gebrochenes Bein keinen Zweifel zulässt. Deshalb rätseln die Pflegenden immer wieder, ob der Angehörige nicht kann oder nicht will. Diese Ungewissheit befeuert das Schwanken zwischen Zu- und Abwendung.

Diagnose und Behandlung ändern an diesem inneren Zwiespalt wenig, so die britische Gesundheitswissenschaftlerin McPherson. Oft ist die Diagnose zwar zunächst für das Paar eine Erleichterung. Sie haben eine Erklärung für das Verhalten und die Empfindungen des Betroffenen. Meistens folgt die Ernüchterung aber auf dem Fuß, wenn sich der Zustand des Partners nicht merklich verbessert, weiß McPherson: „Die meisten haben doch über lange Zeiträume immer wieder depressive Episoden. Es ändert dann fast nichts, ein Wort für das Leiden zu haben.“

Er lag auf dem Sofa

Hält die Depression an, verändert sich das Leben zu zweit fundamental. In welcher Weise dies geschieht, hat die Gesundheitswissenschaftlerin Joan Bottorff von der University of British Columbia in Kanada in Interviews mit 29 Frauen herausgearbeitet. Alle hatten einen depressiven Ehemann. Infolge seiner Erkrankung wurden ihre Geschlechteridentitäten heftig strapaziert: Sie haderten damit, in der Rolle der Pflegenden gefangen zu sein. Sie litten darunter, die Familie nun allein versorgen und managen zu müssen. Während der depressive Partner auf dem Sofa lag, mussten sie beispielsweise einkaufen, den Rasen mähen, die Hecke schneiden, die Kinder zum Geigenunterricht fahren und nachts Überweisungen und Haushalt erledigen. Verlor er aufgrund der Krankheit die Arbeit, erhöhte sich der finanzielle Druck.

„Die Frauen fühlten sich nicht mehr unterstützt. Geben und Nehmen waren völlig unausgewogen. Das stresste sie“, so Bottorff. Die Partnerinnen beklagten auch, dass ihre weibliche Seite vernachlässigt werde. Das Sexualleben erlischt nicht selten während einer depressiven Episode.

Ein anderes Spannungsfeld: Immer wieder weigerten sich erkrankte Männer, zum Therapeuten oder zum Arzt zu gehen. Eine Erfahrung, die Hauck ebenfalls beschreibt: „Mit Engelszungen habe ich auf ihn eingeredet. Und als er einmal, vollgepumpt mit Tabletten, mit mir zum Therapeuten ging, schaffte er es dort, so zu tun, als gäbe es zu Hause kein Problem.“ Besonders Männer tun sich schwer, sich einzugestehen, psychisch krank zu sein. Manche beharren über Jahre darauf, dass alles eine Frage des Charakters sei, berichtet Bottorff aus ihrer Erfahrung.

Das soziale Umfeld schrumpft

Besonders beklemmend wird das Zusammensein, wenn der Partner ankündigt, sich umzubringen, oder dies tatsächlich versucht. Die Suizidrate ist bei Menschen mit Depressionen etwa dreißigmal so hoch wie bei Gesunden. Bottorff erfuhr: „Das ist eine immense Herausforderung. Die Frauen machen sich enorme Sorgen.“ Manche rufen in der Verzweiflung und zum Schutz ihres Partners die Polizei oder den Rettungsdienst.

Die Paare müssen mit solchen Extremereignissen allein klarkommen. Freimütig mit Freunden darüber zu reden rührt an ein Tabu. „Das Stigma ist viel größer als bei anderen Krankheiten, etwa einem Krebsleiden. Und das erschwert es dem pflegenden Part, sein Herz bei anderen Menschen auszuschütten“, sagt McPherson. Das soziale Umfeld schrumpft, weil sie sich nur wenigen oder niemandem anvertrauen. „Sie fühlen sich infolge der Vereinsamung wie bestraft.“ Auch das ist eine Folge des Stigmas, erfuhr McPherson in den Interviews mit 13 Betroffenen. Die Depression rangiert zwischen Unpässlichkeit und „Darüber spricht man nicht“.

Die psychische Krankheit entmachtet folglich nicht nur den Betroffenen. Auch der Gesunde wird ohnmächtig im Umgang mit dem Partner. Frau und Mann sind nicht mehr, wie sie sich als Gesunde kannten.

Karl-Heinz Möhrmann lebt seit 50 Jahren mit seiner manisch-depressiven Ehefrau. 16-mal war sie in psychiatrischen Kliniken. „Man gewöhnt sich nie daran. Es ist immer schwer, weil man sich nicht mehr austauschen kann. Sie leidet dann nur noch unter ihren eigenen Problemen“, erzählt er. Er empfinde nicht nur Mitleid, sondern auch Leid. In einer depressiven Phase muss er alle Aufgaben allein übernehmen, die im gesunden Zustand seine Frau erledigt: kochen, einkaufen und die Post. Liebe und Zärtlichkeit verschwinden aus dem Alltag. „Man muss aufpassen, dass man die eigenen Bedürfnisse nicht komplett zurückstellt, sonst wird man krank“, sagt Möhrmann.

Depression steckt an

Das asymmetrische Rollengefüge und die Hilflosigkeit begünstigen tatsächlich, dass der gesunde Partner, sofern die Situation über lange Zeit anhält, erkrankt. 40 Prozent ereilt dieses Schicksal, berichtet Kronmüller. Sie werden dann oft ebenfalls von psychischen Krankheiten gepeinigt. „Man kann sagen, dass eine Depression ansteckend ist, wenn auch nicht im infektiösen Sinn.“ Der Übertragungseffekt rühre wahrscheinlich auch daher, dass sich Menschen mit einer Neigung zur Depression besser miteinander verstehen und besser einfühlen können.

Depressivität schwappt sogar auf Freunde über. Das könnte ein unbewusster Grund dafür sein, weshalb nicht nur Erkrankte Freundschaften einschlafen lassen, sondern auch Gesunde manchmal auf  Distanz zu Kranken gehen. Wie stark die soziale Ansteckung ist, zeigte James Fowler, ein Sozialwissenschaftler an der University of California in San Diego, anhand von Netzwerkanalysen. Er analysierte die Beziehungen von etwas mehr als 12 000 Personen aus der Framingham Heart Study und entdeckte erstaunliche Grüppchenbildungen. Wer zu Depressionen neigte, hatte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zahlreiche Bekannte, die niedergeschlagen waren. Waren sie zunächst guter Laune, so liefen sie aufgrund des Kontakts zu Depressiven mit der Zeit Gefahr, dem Trübsinn zu verfallen.

Besonders Frauen sind für soziale Ansteckung empfänglich, fand Fowler heraus, wahrscheinlich weil sie mehr mit dem Gegenüber mitfühlen. Für diesen Unterschied zwischen den Geschlechtern sprechen auch Arbeiten der Psychologin Tracey Revenson von der City University of New York. Sie wies nach, dass sich Depressivität und Ängstlichkeit leichter vom erkrankten Mann auf die gesunde Partnerin übertragen als umgekehrt.

„Eine Depression befällt nie einen Menschen allein, sondern alle um ihn herum“, fasst Kronmüller zusammen. Unisono raten Forscher deshalb, mindestens das Paar, mitunter auch die Familie in die Therapie einzubeziehen. Es sei aber schwer, einen Paartherapeuten zu finden, der sich mit Depressionen auskennt. Da gebe es eine Versorgungslücke. Und eine Forschungslücke: Die Cochrane-Gruppe, die Studien nach statistischen Maßstäben auf ihre Aussagekraft überprüft, stellte fest, dass sich die Wirksamkeit von Paartherapie bei Depressionen nicht seriös ermitteln lässt – es gibt schlicht zu wenige Studien. McPherson jedoch ist überzeugt: Therapeutische Unterstützung würde die Belastungen vermindern und Scheidungen vorbeugen.

Therapie zu zweit

Psychotherapeutin Ulrike Borst bezieht in die Sitzungen mit depressiven Patienten bewusst den gesunden Partner ein. Der erste Schritt in der Therapie sei meist Psychoedukation, also Aufklärung über die Erkrankung. Doch dann, „wenn der depressive Partner aus dem tiefsten Loch aufzutauchen beginnt, schauen wir uns die Interaktionsmuster in der Beziehung an“, sagt Borst. „Oft ist auch auf Paarebene der Depressive unten und der Gesunde in der Hierarchie oben. Die erkrankte Frau traut sich beispielsweise nichts mehr zu. Der Mann ist ihr Ratgeber, ihr Helfer, telefoniert womöglich sogar mit ihrem Vorgesetzten.“ In der Therapie werde dann geübt, wie sie selbst wieder entscheiden kann, wie und wann sie mit ihrer Arbeitsstelle kommuniziert. „Es geht ganz stark um Selbstwirksamkeit.“

Meist trügen frühere Paarkonflikte zu solchen Verhaltensmustern von Rückzug und Dominanz bei, so Ulrike Borst. „Nehmen wir zum Beispiel einen depressiven Mann, der schon vorher mit der Beziehung zu seiner Frau sehr unzufrieden war. Sie haben sich häufig gestritten. Die Frau kritisierte ihn dauernd und kündigte die Trennung an. Er zog sich daraufhin zurück. Sein Bindungsmuster ist, dass er Auseinandersetzungen und Nähe vermeidet. Und sie wiederum erträgt das kaum.“ Gerade wenn solche Beziehungskonflikte zur Depression beitrugen, könne eine Paartherapie „meiner Erfahrung nach einen großen Beitrag zur Heilung leisten“, sagt Borst.

Karl-Heinz Möhrmann und Sibylle Hauck mussten ihre eigenen Strategien entwickeln, mit der Krankheit ihres Partners zurechtzukommen. Möhrmann wandert viel und stürzt sich in seine Ehrenämter, „um gesund zu bleiben“, sagt er. So engagiert er sich im Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Sein wichtigster Rat für andere Betroffene: „Machen Sie sich jeden Tag eine Freude – einen Spaziergang, eine CD hören, mit einem Freund ein Glas Wein trinken.“

Die Krise kann Paare zusammenschweißen

Trotz der schweren und andauernden Erkrankung seiner Frau genieße er zwischen den depressiven Episoden schöne Zeiten mit ihr. Jahrelang ging er mit seiner Frau zu einer Paartherapeutin, um auch beschämende Themen wie das brachliegende Sexualleben zu besprechen. Einmal überrumpelte ihn ein Psychiater mit dem Rat: Er und seine Frau passten einfach nicht zusammen. Sie sollten sich trennen. Möhrmann lacht heute darüber: „Ich habe mich getrennt – und zwar von diesem Arzt.“

Für Familie Hauck kam „der zweite große Knall“, als sich Uwe Hauck im Affekt 2015 umzubringen versuchte. Rechtzeitig las Sibylle die Abschiedszeilen über WhatsApp. Sie konnte ihn gerade noch aufhalten. „Im Nachhinein war es das Beste, was uns passieren konnte“, meint sie. Denn von da an begriff ihr Mann, dass er unter einer Krankheit litt, und nahm die Hilfe in einer psychiatrischen Klinik an.

Sibylle Hauck blieb jedoch mit ihren drei Kindern außen vor. „Wir kümmern uns jetzt erst mal um Ihren Mann“, bekam sie zu hören, wenn sie um Rat fragte. Schließlich ging sie zu einer Psychotherapeutin. „Ihn nicht zu bevormunden und ihm nicht zu viel abzunehmen, wenn man sich so daran gewöhnt hat, das ist harte Arbeit. Aber wir sind alle auf einem guten Weg.“ Sehr geholfen habe, dass ihr Mann schließlich entschied, mit seiner Erkrankung an die Öffentlichkeit zu gehen. „Wir sind gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen.“

Tatsächlich kann die Depression einen Impuls geben, die Partnerschaft neu zu beleben. McPherson erinnert sich an den Satz eines Paares: „Uns entzweit nichts mehr, und wenn man Steine auf uns wirft.“

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 6/2019: Vom Glück, Verantwortung zu teilen
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