Die historische Zahl: 1924

Psychologieklassiker: Besseres Licht steigerte die Produktivität. Aber auch schwächeres Licht! Über den Hawthorne-Effekt und wie er entdeckt wurde

Wenn es heller ist, werden die Arbeiter produktiver. So auch, wenn es dunkler ist. © Die Illustration zeigt einen Konferenzraum mit Personen, die am Tisch sitzen, davor eine Glühlampe mit einem Pfeil darauf, der steil nach oben zeigt

Irgendetwas lief seltsam in diesem Experiment. Ein vom National Research Council ausgesandtes Forschungsteam hatte sich im Jahr 1924 im Hawthorne-Werk der Western Electric Company an der Peripherie von Chicago eingefunden, um nachzuweisen, dass sich mit einer besseren Beleuchtung die Produktivität der Beschäftigten steigern ließe. Ohne Vorankündigung wurde die Helligkeit in einigen Montagehallen stetig erhöht. Doch die Befunde waren verwirrend: Manchmal stieg die Arbeitsleistung, manchmal nicht, aber ohne systematischen Zusammenhang mit dem Licht.

Also wurde am Versuchsplan geschraubt: Das Forschungsteam stellte zwei Gruppen von Beschäftigten zusammen. Die einen arbeiteten weiter wie bisher. Bei den anderen wurde die Beleuchtung mal verstärkt, mal gedimmt. Wieder verblüffte das Ergebnis: Zwar wuchs die Produktivität mit besserer Beleuchtung. Doch sie stieg auch, wenn die Helligkeit gedämpft wurde. Und sogar die Werktätigen der Kontrollgruppe, bei denen sich nichts verändert hatte, produzierten auf einmal mehr.

Beobachtung steigert Elan

Um dem Rätsel auf die Spur zu kommen, traf im Jahr 1927 Unterstützung in Gestalt eines Forschungsteams der Harvard-Universität unter der Leitung von Elton Mayo ein. In einem Mammut-Versuchsplan variierte Mayo in den folgenden Jahren bei konstant guter Beleuchtung systematisch die Länge der Pausen und der Arbeitszeit von sechs auserwählten Frauen. Doch egal was er tat: Die sechs Frauen wurden immer effizienter. Produzierten sie anfangs 2400 Relais pro Woche, waren es zwei Jahre später 3000. Mayo führte dies auf das wachsende Zusammengehörigkeitsgefühl zurück.

Eine plausiblere Erklärung ging später als „Hawthorne-Effekt“ in die Lehrbücher ein: Allein die Tatsache, dass man in einem Experiment unter Beobachtung steht, steigert den Elan.

1975 Baruch Fischhoffs Rückschaufehler: Im Rückblick erscheinen den Befragten zufällige Ereignisse zwangsläufig

1963 Robert Rosenthals Versuchsleitereffekt: Dessen Erwartung beeinflusst den Ausgang eines Experiments

1957 Allen Edwards’ Tendenz zur sozialen Erwünschtheit: Man gibt erwartete statt ehrliche Antworten

1924 Der Hawthorne-Effekt wird geboren

1904 Oskar Pfungsts Kluger-Hans-Effekt: Das Wunderpferd „löst“ Rechenaufgaben, indem es die Körpersprache seines Lehrers deutet

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