Bei so genannten Cum Ex-Geschäften versuchen Unternehmen, Rückzahlungen für Steuern zu ergattern, die nicht gezahlt, also fälschlicherweise angegeben wurden, wie beispielsweise im Wirecard-Skandal. Damit ein betrügerisches System wie dieses funktioniert, müssen viele Beteiligte mitmachen. Unter welchen Bedingungen tun sie das? Dieser Frage gingen die Wirtschaftswissenschaftler Tim Lohse und Sven A. Simon in einem Compliance-Experiment nach, in dem sie untersuchten, ob Teilnehmende einzeln oder im Team sich an Steuerregeln hielten und unter welchen Bedingungen sie es nicht machten. Das Ergebnis: Als entscheidend für Betrug erwiesen sich das geteilte finanzielle Risiko und die geteilten Gewinne.
Wie die Forscher schreiben, geht es offenbar nicht darum, dass Teams an sich häufiger betrügen als Einzelne, wie Forschungen immer wieder nahelegten, sondern um die finanziellen Vorteile und Risiken. Müssen Risiken allein getragen werden, senkt dies offenbar die Bereitschaft zum Betrug, vermuten die Wissenschaftler. Das bedeute, dass einzelne Mitglieder von Teams alle die volle Haftung übernehmen müssten, also jede und jeder die gleiche Verantwortung hätte.
Finanzielle Fragen entscheidend
Die insgesamt 268 Versuchspersonen, überwiegend Studierende der Informatik, Wirtschaftswissenschaften, Ingenieurwissenschaften oder Mathematik, spielten das Compliance-Spiel in mehreren Runden, die insgesamt 100 Minuten dauerten. Sie trafen je nach Versuchsbedingung individuelle oder gemeinsame Entscheidungen darüber, ob sie das ihnen zufällig zugewiesene fiktive Einkommen korrekt oder falsch deklarierten wollten. Dabei galt: Hohe Einkommen würden versteuert, geringe Einkommen nicht, aber hier könne es Überprüfungen geben. Zusätzlich füllten die Teilnehmenden einige wissenschaftliche Fragebögen aus, etwa über ihre Risikobereitschaft, ihre kognitiven Fähigkeiten, ihre sozialen Werte. Der Austausch in den Zweierteams über die Entscheidungen fand in Chats statt, die ebenfalls ausgewertet wurden.
Bei den gemeinsamen Entscheidungen für Betrug oder dagegen fanden die Forscher so genannte „Spillover“-Effekte Sehr oft nämlich entschieden die Probandinnen und Probandinnen, dass entweder beide Berichte ehrlich sein sollten oder beide falsche Angaben enthielten – Teams sind gemeinsam ehrlich oder nicht, so die Schlussfolgerung der Forschenden. Zudem erwiesen sich die risikobereiteren Versuchspersonen als unehrlicher, ebenso zeigten diejenigen mit einer höheren kognitiven Flexibilität eine stärkere Neigung zu unrichtigen Angaben. Der Austausch der Zweierteams in den Chats zeigte: Um Moral ging es nur am Rande, diskutiert wurden vor allem die finanziellen Aspekte.
Tim Lohse, Sven A. Simon: Compliance in teams – Implications of joint decisions and shared consequences. Journal of Behavioral and Experimental Economics 94, 2021. DOI: 10.1016/j.socec.2021.101745