Hallo Langeweile!

Psychologie nach Zahlen: Oft versuchen wir, Langeweile mit allen Mitteln zu verdrängen. 5 Schritte, um mit dem ungeliebten Gefühl positiv umzugehen.

Eine Frau sitzt gelangweilt auf einem Stuhl und beobachtet vor sich auf dem Tisch einen Fisch im Glas
Nichts zu tun, unmotiviert und trotzdem unzufrieden – Langeweile ist ein grausames Gefühl. © Till Hafenbrak

1 Langeweile erkennen

Was genau ist Langeweile eigentlich? Diese vermeintlich einfache Frage beschäftigt die Wissenschaft noch immer. Denn sie taucht in allen möglichen Situationen auf und hat viele Facetten. John Eastwood, Associate Professor an der psychologischen Fakultät der York University in Toronto, Kanada versucht es mit folgender Definition: „Langeweile ist das unangenehme Gefühl, eine zufriedenstellende Aktivität ausführen zu wollen, aber nicht zu können.“

Doch woher kommt das unangenehme Gefühl? Wenn wir unterfordert sind, langweilen wir uns. Genauso kann es uns aber auch im umgekehrten Fall ergehen: Eine Situation überfordert uns oder wir bekommen zu viele Informationen. Es entsteht also ein Ungleichgewicht zwischen der Stimulation, die wir brauchen, und dem tatsächlichen Input von außen.

Ob unsere Tätigkeit objektiv gesehen einen Sinn hat, bedeutet der Langeweile wenig, konstatieren James Danckert und John Eastwood in ihrem Buch Out of My Skull. The Psychology of Bore­dom. Bedeutsame Dinge – wie das Spielen mit Kindern – können langweilig sein. Gleichzeitig gehen wir manchmal völlig in unbedeutsamen Tätigkeiten auf, wenn wir uns etwa auf der Couch von unserer Lieblingsserie entführen lassen.

Dazu kommt die wechselhafte Gestalt, in der sich die Langeweile präsentiert: Mal äußert sie sich durch Unlust und Apathie, mal fühlen wir uns eher ruhelos – so kann es tatsächlich gar keine banale Aufgabe sein, die Langeweile überhaupt zu erkennen.

2 Langeweile akzeptieren

Statt krampfhaft nach Wegen aus der Langeweile zu suchen, können wir lernen, sie zu akzeptieren. „Das Aushalten kann man üben“, sagt Sabrina Krauss, Psychologieprofessorin an der SRH-Hochschule in Nordrhein-Westfalen. Das funktioniert etwa durch geführte Meditationen – oder man setzt sich einfach mal für eine Minute ganz ruhig hin und lässt die Gedanken frei schweifen. „Wichtig ist, nicht gleich mit einer Stunde anfangen zu wollen“, sagt Sabrina Krauss. Zu Beginn sei die Übung anstrengend, man könne die Zeit aber langsam steigern. Solche Phasen der Ruhe helfen dabei, die Gedanken zu ordnen oder kreative Ideen zu finden. Und sobald wir uns in der Situation wohlfühlen und die Stille vielleicht sogar genießen, ist die Langeweile bereits verflogen.

3 Langeweile als ­Motivation sehen

Schmerzen dienen uns als ein Warnsignal: Kommen wir mit den Fingern einem Feuer zu nahe, ziehen wir die Hand zurück. So ähnlich sei es mit der Langeweile, schreiben Danckert und Eastwood. Sie motiviere uns, etwas zu verändern. Denn manchmal brauchen wir einen solchen Impuls, um kleinere oder sogar große Aufbrüche anzugehen.

Allerdings sind die Reaktionen, zu denen uns das Signal der Langeweile animiert, natürlich viel komplexer als ein simpler Hitzereflex, der uns vor Schmerzen bewahrt. Schließlich müssen wir, wenn uns die Langeweile überkommt, zunächst einmal herausfinden, was genau uns zufriedenstellen würde. Nicht immer wählen wir dann einen hilfreichen Ausweg. Manche Menschen nehmen Drogen, um der Monotonie zu entkommen. Andere suchen ständig neue Risiken. So fühlen sie sich vielleicht kurzzeitig besser, schaden sich aber auf lange Sicht.

4 Erkennen, was persönlich hilft

Wir spüren also durchaus, dass wir über- oder unterfordert sind. Was können wir tun, um uns besser zu fühlen?

„Es gibt kein einheitliches Konzept für alle Menschen“, sagt Sabrina Krauss. „Der eine ist empfänglicher für innere Unruhe, die andere kann die Langeweile eher annehmen.“

Auf jeden Fall hilft es, die eigenen Gefühle gut zu kennen. Eine Studie von Eastwood und Kolleginnen zeigte, dass Menschen, die ihre Emotionen nicht gut verstehen, sich eher langweilen. Das liegt wohl daran, dass sie weniger einschätzen können, was genau sie stört und was ihnen helfen würde.

Letztlich kommt es darauf an, die Anforderungen anzupassen – ob sie von außen kommen oder wir sie selbst an uns stellen. Das Sudoku ist zu kompliziert? Dann einfach ein leichteres wählen. Der Chef vergibt zu monotone Aufgaben? Vielleicht lässt er sich überreden, uns mehr Verantwortung zuzutrauen. Auch bei Überforderung Hilfe anzunehmen ist fast immer eine gute Idee.

5 Die Langeweile austricksen

Manchmal sind wir gezwungen, langweilige Aufgaben zu übernehmen. Dann kann Ablenkung tatsächlich helfen, sagt Sabrina Krauss: „Wir können etwa Podcasts hören, daran ist nichts Falsches. Es kommt nur darauf an, wie wir gerade die digitalen Möglichkeiten nutzen – das sollte schon gut dosiert sein.“

Danckert und Eastwood schlagen einen anderen Weg vor: Jede und jeder könne monotone Situationen in wertvolle verwandeln, wenn sich nur ein Grund dafür finden lässt. So reiche es oft aus, die Menschen zu überzeugen, dass eine Aufgabe gut für ihre Gesundheit ist oder etwa ihre Jobperspektiven verbessern kann.

Problematisch wird es, wenn wir zu etwas gezwungen werden oder uns etwas verboten wird, ohne dass wir den Grund dafür nachvollziehen können. Dann hilft es möglicherweise, nicht über das Verstreichen der Zeit nachzudenken. Denn genau das passiert in langweiligen Phasen tatsächlich: Studien zeigen, dass gelangweilte Menschen die Zeit als länger empfinden, eben als lange Weile. Die Frage ist nur: Langweilen wir uns dann, weil wir die Zeit so intensiv verspüren, oder verstreicht die Zeit derart zäh, weil wir uns langweilen?

Prof. Dr. Sabrina Krauss, Professorin für Psychologie an der SRH Hochschule in Nordrhein-Westfalen. 

Prof. Dr. John D. Eastwood, Associate Professor im Department of Psychology der York University in Toronto, Kanada.

Quellen

S.W. Bench, H. C. Lench: . On the function of boredom. Behavioral Science(Basel), 3/3, 2013, 459–472.

James Danckert, John D. Eastwood. Out of My Skull. The Psychology of Boredom. Harvard University Press, Cambridge 2020. ISBN 9780674984677

J. D. Eastwood u.a.: The unengaged mind: Defining boredom in terms of attention. Perspectives of Psychological Science, 7/5, 2012, 482–495.

J. D. Eastwood JD u.a.: A Desire for Desires: Boredom and its Relation to alexithymia. Personality and Individual Differences, 42/6, 2007, 1035–1045.

Q. Raffaelli u.a.: The knowns and unknowns of boredom: a review of the literature. Experimental Brain Research, 236, 2018, 2451–2462.

J. Witowska u.a.: What happens while waiting? How self-regulation affects boredom and subjective time during a real waiting situation. Acta Psychologica (Amst.), 205:103061, 2020.

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