Nicht ohne meine Freundin

In jeder Lebensphase haben Freundinnen eine andere Bedeutung für uns. In der Kindheit helfen sie uns, unseren Platz in der Gruppe zu finden – wissen wir doch alle, was es bedeutet, in der Pause allein auf dem Schulhof zu stehen.

Viel später kommt ein für Freundschaftsbeziehungen sehr wichtiger Aspekt hinzu, der von Soziologen sorgfältig untersucht worden ist – der Wunsch nach Selbstoffenbarung und die Frage, ob diese erwidert wird. Sie ist der erste Schritt, mit dem die Fremdheit zwischen zwei Menschen überwunden wird und insofern die Grundlage einer jeden persönlichen Beziehung.

Dass Machtausübung, Konkurrenz und Rivalität, ja auch Verrat in Freundschaften zwischen Mädchen und Frauen (und gewiss nicht nur bei ihnen) in allen Lebensphasen eine große Rolle spielen können, weiß jede Frau. Aber sie weiß auch, wie wichtig Solidarität unter Frauen sein kann, nicht nur im politischen Bereich, sondern ganz besonders in Zeiten persönlicher Krisen und Umbrüche, wo oftmals nicht nur praktische Hilfe, sondern auch seelische Unterstützung durch Freundinnen notwendig und, wenn sie gewährt wird, ein Labsal ist.

All dies und noch eine ganze Reihe von anderen Facetten der Freundschaft zwischen Frauen schildert Susann Sitzler anhand unzähliger Begegnungen und Szenen mit ihren eigenen Freundinnen. Allerdings verliert man beim Lesen streckenweise den Überblick über Zahl und Charakter ihrer guten und „besten“ Freundinnen völlig.

Problematisch wird es vor allem dann, wenn ihre persönlichen Berichte allzu sprunghaft, allzu geschwätzig und oft auch nicht frei von Wiederholungen sind. Leider gelingt es der Autorin auch nicht immer, einen Zusammenhang zu den in großer Zahl zitierten Statistiken und wissenschaftlichen Untersuchungen herzustellen. Die Verknüpfungen des einen mit dem andern sind schwer nachvollziehbar, und es fehlt die schlüssige systematische Durchdringung des spannenden Themas.

Das Buch liest sich leicht, doch es genügt nicht, dass sich die ein oder andere Leserin in den persönlichen Berichten der Autorin wiederfinden und gespiegelt sehen mag. Es bleiben zu viele Fragen offen, die keine Antwort finden. Und hin und wieder wird auch die Grenze zum Kitsch überschritten. So stellt Sitzler unter anderem die Frage, ob auch Freundschaften mit Männern möglich sind, und wie weit da die Erotik dazwischen funkt. Das liest sich dann so: „Wenn der Abend schön ist, kommt es vor, dass ich einen zweiten Blick auf seine breiten Schultern oder auf seinen energischen Mund werfe, während wir über Bücher und Reisen, den Sinn des Lebens und Ex-Partner reden …“

Fazit: Sitzler hat ein spannendes Thema, das alle Frauen berührt, verschenkt. Und auch das eindrucksvolle Zitat aus einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung ändert daran nichts. Es lautet: „92 Prozent aller Frauen könnten eher auf Sex verzichten als auf ihre beste Freundin.“ Warum das so ist (oder sein könnte) – dieser Frage nachzugehen, hätte sich gelohnt.

Irmela Köstlin

Susann Sitzler: Freundinnen. Was Frauen einander bedeuten. Klett-Cotta, Stuttgart 2017, 254 S., € 20,

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Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 3/2018: Heilkraft Meditation
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