Heilsame Gerüche

Hat Riechen etwas mit Ängsten, Depressionen und Krankheiten zu tun? Dieser Frage widmen sich drei Autorinnen im Buch über Gerüche, die heilen.

Nicht nur der Hund kann’s besser, Elefanten haben sogar fünfmal so viele olfaktorische Rezeptoren wie wir: Menschen sind Mikrosmaten, können also relativ schlecht riechen. Und doch wird uns sofort übel, wenn etwas ekelhaft stinkt, während uns umgekehrt jemand mit betörendem Duft gleich für sich einnimmt.

Kaum ein anderer Sinn wirkt so intensiv auf unser Gefühlsleben. Könnten daher bestimmte Düfte auch die psychische Gesundheit beeinflussen, uns beispielsweise bei der Bewältigung von Ängsten und Depressionen helfen? Die österreichische Pharmazeutin und Psychologin Eva Heuberger antwortet darauf mit einem klaren Ja – und mit ihren beiden Koautorinnen Iris Stappen und Regula Rudolf von Rohr versucht sie, in dem Buch Riechen und Fühlen: Wie Geruchsinn, Ängste und Depressionen zusammenspielen eine schlüssige Begründung dafür zu geben.

Was beim Riechen im Gehirn passieren könnte

In einem ausführlichen Basisteil lernt der Leser zunächst allerlei Details über das Riechen und seine Verarbeitung im Gehirn. Manchmal wird er dabei jedoch irritiert. So berichten die Autorinnen, dass die Signale aus der Nase im Unterschied zu anderen Sinnesreizen nicht unbedingt vom Thalamus auf ihre Wichtigkeit geprüft, sondern oft auch direkt in die Großhirnrinde weitergeleitet werden. Weswegen, so das Resümee, „Geruchsinformationen auch unbewusst verarbeitet werden können“. Was freilich nicht nur hirnanatomisch, sondern auch logisch befremdlich klingt. Denn der Thalamus gilt zwar in der Hirnforschung als „Tor zum Bewusstsein“, in dem vorentschieden wird, was „nach oben“ durch darf und was nicht. Doch wenn es die Riechsignale auch ohne ihn bis in die Großhirnrinde schaffen, folgt daraus nicht etwa, dass sie unbewusst verarbeitet werden, sondern dass sie weniger auf ihre Bedeutung überprüft werden, bevor sie ins Bewusstsein vordringen. Was sicherlich auch für eine besondere Bedeutung des Geruchssinns spricht, aber eben nicht in dem Sinne, wie es Heuberger und ihr Team behaupten.

Depressives Verhalten hängt mit Geruchsvermögen zusammen

Weitaus mehr Überzeugungskraft entfalten die Autorinnen, wenn sie – immer unterbrochen von ermüdenden Exkursen, etwa zu Pawlow oder chinesischen Hirnvolumenstudien – konkret auf das Titelthema des Buchs eingehen. Man erfährt, dass Ratten, denen man den Riechkolben entfernt hat, depressives Verhalten entwickeln und dass Menschen mit stark eingeschränktem Geruchsvermögen mehr ängstliche und depressive Symptome zeigen – und dass diese zurückgehen, wenn man ihr olfaktorisches Defizit erfolgreich behandelt hat.

Auch Demenz- und Parkinsonpatienten zeigen demnach Mängel im Geruchsvermögen. Bei Parkinson präsentieren sich diese sogar deutlich vor den eigentlichen Symptomen der Krankheit, was man im Hinblick auf ihre frühzeitige Diagnose im Auge behalten sollte. Genauso wie die therapeutische Option des Geruchstrainings, durch das sich nicht nur der olfaktorische Sinn, sondern auch die Lebensfreude der Patienten wiedergewinnen lässt. Wobei dieses Training, wie die Autorinnen betonen, recht einfach in der Handhabung ist: „Es reicht aus, mehrmals pro Woche an vier verschiedenen Duftstoffen, zum Beispiel ätherischen Ölen oder stark riechenden Früchten zu schnüffeln, und das über etwa ein Jahr hinweg.“

Widersprüchliche Befunde

Heuberger – sie ist stellvertretende Vorsitzende des Forums Essenzia „für Förderung, Schutz und Verbreitung der Aromatherapie“ – und ihre Koautorinnen sind durchaus bemüht, ihr Plädoyer für die heilende Kraft der Gerüche mit wissenschaftlichem Datenmaterial zu unterlegen. Doch bei näherem Hinsehen offenbart sich dieses als nicht so umfassend, wie es die langatmigen Exkurse vermuten lassen. Und manchmal liefert es offenbar auch nicht die erhoffte Argumentationshilfe. Dann gestehen die Autorinnen dem Leser ungeschminkt ihr Unverständnis: „Was bedeuten solche widersprüchlichen Ergebnisse? Wir wissen es nicht genau.“

Eva Heuberger, Iris Stappen, Regula Rudolf von Rohr: Riechen und Fühlen. Wie Geruchssinn, Ängste und Depressionen zusammenspielen. Fischer & Gann, Munderfing 2017, 292 S., € 25,–

Artikel zum Thema
Leben
Welches Parfüm wir bevorzugen, hängt mit unserem Immunsystem zusammen. Der richtige Duft kann das Gedächtnis verbessern und Stress senken.
Leben
​ Warum wir gut beraten sind, wenn wir uns öfter auf unseren Geruchssinn verlassen, zeigen Bettina M. Pause und Shirley Michaela Seul. ​
Gesundheit
Wer die eigenen Emotionen gut erkennt und verarbeitet, zeigt eine flexible Herzrate. Das ist gut für unsere Gesundheit, so eine Studie.
Dieser Artikel befindet sich in der Ausgabe: Psychologie Heute 7/2018: Kann ich mich ändern?
Anzeige
Psychologie Heute Compact 78: Was gegen Angst hilft