Wir rennen zum Bahnsteig und stoßen dabei an den Papierkorb. Wir telefonieren, während wir essen – im Hintergrund läuft der Fernseher. Wir übergehen die leichte Anspannung im Nacken, bis unsere Muskeln hart geworden sind. Wir verzehren uns in Klagen über die Vergangenheit und in Sorgen über die Zukunft, statt uns dem zu widmen, was wir grad tun. Wer so achtlos lebt, verliert sein Leben, bevor er stirbt.
Der Verhaltensmediziner Jon Kabat-Zinn, der die Methode der achtsamkeitsbasierten Stressminderung begründete, spricht davon, dass Menschen oft in einer Alltagstrance leben. Sie seien wie von einem Autopiloten gesteuert – sie steuerten nicht selbst wie ein guter Pilot, der alle Facetten der Realität aufmerksam registriert und dann handelt. Gefördert wird dieses entfremdete Leben von einer Kultur, die durch ihr Reizbombardement Menschen aus dem Lot bringt und diejenigen als tüchtig ansieht, die tausend Dinge gleichzeitig tun können.
Achtsamkeit heiße das Gegengift gegen die Zerstreuung, meint Jon Kabat-Zinn. Unter Achtsamkeit versteht er, die Aufmerksamkeit bewusst und mit Absicht auf das aktuelle Erleben zu richten, von Moment zu Moment, und das, was man wahrnimmt, nicht zu bewerten. Das heißt, alles, was den Geist erreicht, erst einmal anzunehmen und nichts zu vermeiden. „Augen auf und dabei“ statt „Augen zu und durch“. Wer das jahrelang übt, dessen Geist kann in den Zustand eines absoluten Gewahrseins kommen. Ein alter Zenmeister antwortete einmal auf die Frage eines Schülers, woran man einen Erleuchteten erkenne: „Er isst, wenn er isst, er geht, wenn er geht, und er schläft, wenn er schläft.“
Wie Sie sich durch Meditation in Achtsamkeit üben können und welche positiven Wirkungen das auf Körper und Seele hat, lesen Sie im vollständigen Artikel von Ulfried Geuter im aktuellen Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Yoga, Meditation, Achtsamkeit: Was die drei Lehren ausmacht und wie wir sie für unseren Alltag nutzen können.