Die Haut des Bösen

Psychologie nach Zahlen: Im Film haben Schurken immer schlechte Haut und sind schnell als Bösewichte zu erkennen. 5 Auffälligkeiten auf einen Blick.

Schon seit Stummfilmzeiten dient die Haut von Leinwandschurken als symbolische Projektionsfläche: Hier, an der Außenhülle, spiegelt sich das abstoßende Innere, und die Zuschauer erahnen mit wohligem Grusel den durch und durch verdorbenen Charakter der Figur. Über die Genres hinweg, vom Western bis zum Horrorfilm, ließen Regisseure ihren Bösewichten abstoßende Extras ins Gesicht schminken. Der Kontrast zum charakterlich wie dermatologisch makellosen Helden sollte dem Publikum sofort ins Auge springen.

Daran hat sich bis heute wenig geändert, wie ein Dermatologenteam um Julie Amthor Croley von der University of Texas jetzt in einer vergleichenden Hautinspektion statistisch belegte. Einer Aufstellung des American Film Institute, das offenbar allerlei nützliche Listen zusammenstellt, entnahmen die Forscher die Top Ten der größten Schurken (beiderlei Geschlechts) des amerikanischen Kinos. Dann begutachteten sie fachgerecht deren Gesichtshaut und verglichen sie mit jener der zehn ruhmreichsten Helden und Heldinnen, für die das Filminstitut ebenfalls die passende Liste parat hielt. Das Ergebnis: Sechs der zehn Fieslinge waren auf signifikante Weise „dermatologisch auffällig“ – aber kein einziger der Guten. Die pathologischen Renner der Halunkenhaut waren:

1 Haarausfall

Das Ausdünnen der Kopfbehaarung macht zwar zugegebenermaßen auch Männern des realen Lebens (und wie man hört nicht nur Schuften) zu schaffen. Doch bei den Lumpen der Leinwand wird dies besonders eindrucksvoll in Szene gesetzt und mit anderen unvorteilhaften Merkmalen kombiniert. Dr. Hannibal Lecter zum Beispiel, laut US-Filminstitut die unangefochtene Nummer eins unter den Schurken, kann zwar nur mit einer androgenetischen Alopezie der Stufe drei (Sie wissen schon: auf der Norwood-Hamilton-Skala) aufwarten, also eher leichtem Haarausfall. Doch seine martialische Anti-beiß-Maske zieht sein aus der Stirn zurückweichendes Haupthaar zusätzlich nach hinten und verleiht seinen Zügen auch sonst eine ganz besondere Note. Als weitere berühmte Filmglatzen der dämonischen Sorte führen die Dermatologen Lord Voldemort aus Harry Potter oder Marlon Brando als durchgeknallten Oberst Kurtz in Apocalypse Now ins Feld sowie – als Parodie – Dr. Evil aus der James-Bond-Persiflage Austin Powers. Besonders hat es den Autoren dessen Sohn Scott Evil angetan, bei dem der Haarausfall parallel zu seinen schurkischen Charakterfortschritten binnen einer Filmlänge von Stufe drei bis Stufe sieben voranschreitet: Endlich Vollschurke mit Vollglatze!

2 Albinismus und Hypopigmentierung

Albinos sehen sich ohnehin in manchen Kulturen schlimmen Vorurteilen bis hin zu schweren Übergriffen ausgesetzt. Dass sie auch in Filmen häufig den unheimlichen Bösen geben müssen, macht das nicht besser. Besondere Kennzeichen: dämliche Kosenamen, helle Kleidung, um die blasse Gesichtsfarbe noch zu unterstreichen, und eine kränkliche Konstitution. In einer Auszählung zwischen 1960 bis 2006 erschienener Filme wurden 68 Figuren gezählt, die dieses diskriminierende Stereotyp bedienten. Patientenvereinigungen protestierten mit mäßigem Erfolg. Unter den Top-Ten-Schurken findet sich zwar kein Albino, es gibt jedoch zwei Figuren mit angsteinflößend blasser Haut, nämlich – unter dem Helm – der gefallene Star Wars-Jedi Darth Vader sowie die vom Satan besessene Regan MacNeil aus Der Exorzist.

3 Dunkle Augenringe

Nicht vom gemeinen Tränensack, wie er uns beim Blick in den Spiegel begegnet, ist hier die Rede, sondern von „periorbitaler Hyperpigmentierung“, also einer dunklen, gerne auch pink- oder purpurfarbenen Kolorierung der Unter- und Oberlider oder gleich des gesamten Raums rund um die Augen. In Filmen wird dieses Markenzeichen zwecks Effektsteigerung gerne kombiniert mit den schon genannten Schurkenmerkmalen Glatze und Bleichgesichtigkeit. Ein besonders ansehnliches Beispiel ist Max Schreck in der Rolle des Nosferatu im Stummfilm von 1922.

4 Narben

Sie sind ein klassisches Accessoire des Bösen und laut den Untersuchern „das auffälligste Hautmerkmal, das in Filmen zu beobachten ist“. Zwar gibt es auch unter Filmhelden bisweilen Narbenträger, etwa Harrison Ford als Indiana Jones mit einer schmucken kleinen Schramme am Kinn. Doch die Narben der Guten sind laut Croley und ihren Kollegen erstens klein, zweitens unauffällig, und sie treten drittens nicht gehäuft auf. Das Antlitz der Bösen hingegen ist oft über und über mit ihnen überzogen, so wie etwa jenes von Freddy Krueger in A Nightmare on Elm Street.

5 Warzen

Die fiese Westhexe (Rang vier unter den Allzeitschurken) aus dem Zauberer von Oz von 1939 trägt ihre Warze auf dem Kinn, bei der bösen Königin (Rang zehn) im Walt-Disney-Klassiker Schneewittchen von 1937 ziert sie die Knollennase. Warzen scheinen im Verbund mit tiefen Runzeln und schlechten Zähnen ein Privileg weiblicher Antipathieträger zu sein, auch in Erzählformaten jenseits des Films. In Märchen und Geschichten bedienen faltige Warzenträgerinnen den Archetyp der bösen Hexe oder Stiefmutter. Dass es so oft Kinder sind, denen sie übel wollen, führt die Mythologieexpertin Maria Tatar von der Harvard University darauf zurück, dass die Mutter nun mal die mächtigste Person im Leben eines Heranwachsenden ist – im Guten wie im Schlechten. „Die Kombination aus Macht und Bosheit macht die alte Hexe zu einem zeit- und kultur- und medienübergreifenden Motiv“, schreiben die Dermatologen aus Texas.

Literatur

Julie Amthor Croley, Vail Reese, Richard F. Wagner Jr.: Dermatologic features of classic movie villains – the face of evil. JAMA Dermatology, 6/153, 2017, 559–564. DOI: 10.1001/jamadermatol.2016.5979

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