Auf diesen Satz von Iris Murdoch stieß ich auf der Suche nach einem griffigen Abschlusszitat für einen Vortrag, in dem ich zwei auf den ersten Blick gegensätzliche und einander ablehnende paartherapeutische Schulen behandelte und mich zu einer Synthese „erfrechte“. Als Paartherapeutin ist mein Kerngeschäft, Menschen im Konflikt dabei zu unterstützen, die Sichtweise des anderen (wieder) zuzulassen. Dieser Verständigungsprozess gelingt fast nur, wenn Liebe im Spiel ist. Gestern schlug ich einer Klientin, die sich unzufrieden darüber äußerte, wie ihr Mann sich gehenlasse, vor, sie könne diesen probehalber heimlich mit Respekt so betrachten, als würde sie ihn noch gar nicht kennen. Ich lachte dazu und bemerkte, das könne natürlich ins Auge gehen. Aber sie hat es sofort verstanden.
Wenn die Liebe uns erstmals erfasst, reißt uns ein anderes Wesen aus uns selbst heraus. Gerade weil es so anders ist. So zeichnet Iris Murdoch für mich die Liebe als nichtnarzisstische, das heißt nicht bestätigend-spiegelnde Erfahrung, sondern als verstörendes, konfrontierendes Staunen. Wir werden von einer Andersartigkeit gefangengenommen und überschreiten uns selbst.
Angelika Eck ist promovierte Diplompsychologin und systemische Einzel-, Paar- und Sexualtherapeutin in eigener Praxis. Ihr Buch Schlafzimmerblick. Liebe, Sex und Partnerschaft – ehrliche Antworten auf heikle Fragen erschien 2021 bei HarperCollins. Ihre praktische therapeutische Arbeit ist unter lifelessons.de zu sehen