Wir alle nehmen ständig Gefühle von Mitmenschen auf und geben sie an andere weiter. Das gilt für Emotionen wie Fröhlichkeit und Vorfreude, die das Leben positiv prägen, aber leider auch für Gefühle, die unangenehm sind.
Negative Gefühle, so zeigt die Forschung, übertragen sich sogar leichter als positive, insbesondere wenn sie mit einer hohen Intensität ausgedrückt werden. Wenn man auf eine Person trifft, die übel gelaunt oder zornig ist, dann besteht die große Gefahr, dass man sich bei ihr „ansteckt“, fast so als würde man sich einen Grippevirus einfangen. Mehr noch: Die negativen Emotionen können auf die nächste und übernächste Person überspringen und Familien und Arbeitsteams „infizieren“. Oder auch virtuelle Gruppen: In der Onlinewelt, so scheint es, verbreiten sich negative Emotionen oft rasant; das macht das Phänomen momentan so relevant.
Oft läuft die Übertragung von Gefühlen auf sehr subtile Weise ab. Die sogenannte primitive emotionale Ansteckung ist ein weitgehend spontaner Prozess, bei dem man nicht unbedingt merkt, dass die Emotionen anderer auf einen überspringen. Drei Phasen werden dabei laut der Psychologin Elaine Hatfield von der University of Hawaii durchlaufen:
Mimikry: Bei der Interaktion mit einem anderen Menschen ahmt man automatisch und ständig Mimik, Stimme, Gesten und Verhaltensweisen des anderen nach. Eine Studie etwa fand heraus, dass Probanden innerhalb von nur 21 Millisekunden die Gesten des Gesprächspartners imitierten – schneller, als man das je bewusst könnte.
Feedback: Wenn man die Körpersprache eines anderen nachahmt – sei es ein ärgerliches Gesicht oder eine traurige Stimme –, dann kommt es im eigenen Körper zu einem Rückkoppelungseffekt, so dass man die spezifische Emotion, die der andere ausgedrückt hat, selbst fühlt, zumindest einen schwachen Abglanz davon.
Ansteckung: Nachahmung plus Rückkoppelungseffekt führen dazu, dass man von den wechselnden Stimmungslagen anderer beeinflusst wird, und das von Augenblick zu Augenblick.
Vor negativer emotionaler Ansteckung können wir uns unter anderem mit diesen beiden Strategien schützen:
Den Autopiloten abstellen: Nicht immer schätzen wir die Gefühle und Motive anderer richtig ein. Statt Vermutungen anzustellen sollte man versuchen, neugieriger zu sein, was wirklich in anderen vor sich geht.
Distanz wahren: Auch eine distanzierte Haltung, bei der man andere nüchtern analysiert, kann gegen emotionale Ansteckung schützen.
Den ganzen Beitrag „Vorsicht, Ansteckungsgefahr!“ lesen Sie in unserem aktuellen Themenheft der Reihe Psychologie Heute compact: Negative Gefühle: Schuld, Scham, Eifersucht - unliebsame Emotionen ergründen und an ihnen wachsen