Ab nach draußen!

Psychologie nach Zahlen: Bewegung hilft gegen alles - 6 Gründe, warum Sie unbedingt häufiger spazieren gehen sollten.

Illustration, die zeigt, wie eine Frau bei Sonne und Regen mit ihrem Hund spazieren geht
Den Füßen und den Gedanken freien Lauf lassen: Spazieren gehen lässt die Ideen sprudeln. © Till Hafenbrak

Goethe mochte sie, ebenso Beethoven und Nietzsche: Spaziergänge, ob kurz oder lang, empfanden der Dichter, der Musiker und der Denker als erfrischend, belebend und auch schöpferisch inspirierend. Wie sich herausstellt, hatten sie recht. Denn wer spaziert, bekommt nicht nur wertvolle körperliche Bewegung, sondern tut auch dem Geist und der Seele etwas Gutes, wie mehrere neue Studien beweisen.

1 Spazieren schützt vor Depression

In einer Langzeitstudie über elf Jahre mit 34 000 norwegischen Probanden wollten Forscher wissen, ob Bewegung langfristig vor Depressionen schützt. Und tatsächlich zeigte bereits eine Stunde Spazieren pro Woche einen präventiven Effekt. „Die positive Wirkung war bei allen Freiwilligen zu beobachten, ungeachtet ihres Geschlechts und ihres Alters“, berichten die Wissenschaftler. Ein deutsches Forscherteam wiederum wollte wissen, ob Spazieren auch für Menschen, die bereits von klinischen Depressionen betroffen sind, förderlich sein kann. Die fünf Untersucher stellten fest: Die Bewegung verbesserte nicht nur die Stimmung der Patienten, sondern verschaffte ihnen auch einen positiven inneren Antrieb.

2 Spazieren macht glücklich

Sind Sie mal so richtig stinkig? Dann kann ein kleiner Spaziergang helfen. Bereits zwölfminütiges Gehen – nicht zu schnell, nicht zu langsam – hebt die Stimmung. Selbst wenn Sie nicht daran glauben oder damit rechnen. Das hat eine amerikanische Studie mit mehr als 450 Probanden ergeben. Die gute Laune stellte sich nicht etwa bloß deshalb ein, weil die Teilnehmer mit anderen Menschen oder an einem besonders schönen, sonnigen Tag unterwegs waren. „Spazieren ist eine robuste Quelle von guter Laune“, so die amerikanischen Forscher. Eine britische Erhebung, an der mehr als 10  000 Freiwillige teilnahmen, liefert ein ähnliches Fazit: „Menschen, die sich viel bewegen, sind generell glücklicher als jene mit einer bewegungsarmen Lebensweise.“

3 Spazieren verschafft ein dickes Fell

Stellen Sie sich vor, Sie lernen drei neue Leute kennen und sollen zwei aussuchen, um gemeinsam mit ihnen eine Gruppenaufgabe zu lösen. Dann bekommen Sie allerdings gesagt, dass diese beiden umgekehrt nicht mit Ihnen zusammenarbeiten möchten. Dieses fiese Szenario der sozialen Ausgrenzung gaben amerikanische Forscher vor, um herauszufinden, ob Spazierengehen im Vorfeld eines negativen Erlebnisses die unschönen Gefühle ein Stück weit abfedern kann. Die Wissenschaftler ließen einen Teil ihrer Freiwilligen vor der vermeintlichen sozialen Zurückweisung 20 Minuten lang spazieren. Der andere Teil der Probanden verbrachte diese Zeit sitzend. Tatsächlich verkrafteten die Spaziergänger den Affront besser, und so halten die Forscher fest: „Spaziergänge im Vorfeld schmerzhafter Vorfälle können eine schützende Wirkung entfalten, indem sie negative Gefühle mildern.“

4 Spazieren macht kreativer

Gehen beflügelt auch die Fantasie und die Kreativität. In einem amerikanischen Experiment stieg der Ideenreichtum von Probanden nach einem zehnminütigen Spaziergang um rund 80 Prozent. Das stellten die Wissenschaftler mithilfe des Guilford’s Alternative Uses-Tests fests: Die Versuchsteilnehmer sollten binnen vier Minuten so viele alternative Verwendungszwecke für Alltagsgegenstände erfinden, wie sie nur konnten. Was etwa kann man mit so mäßig aufregenden Objekten wie Reifen oder Knöpfen sonst noch anstellen? Spazierengehen ließ die Ideen sprudeln. Dabei scheint auch die Art des Gehens eine Rolle zu spielen: Laut einer Untersuchung aus Taiwan reicht es nicht aus, einfach im Rechteck zu laufen. Die Bewegung muss frei und ungehindert sein. Wenn sie auf diese Weise schlendern durften, schnitten in der taiwanesischen Studie sowohl jüngere Probanden als auch Teilnehmer im Alter von Mitte siebzig beim Kreativitätstest besser ab.

5 Spazieren vitalisiert

Man könnte meinen, das Umherwandern sei anstrengend und erschöpfend. Doch auch hier suggerieren wissenschaftliche Untersuchungen das Gegenteil. „Spazieren bringt in den meisten Menschen eine vitalisierende Energie zutage“, heißt es in einer amerikanischen Studie. Dafür können, aber müssen wir nicht stundenlang durch tiefe Wälder laufen: Bereits rund zehn Minuten Schlendern in einer urbanen Umgebung wirken belebend. Diese positive Wirkung ist nicht etwa auf das Abschalten oder Entspannen zurückzuführen. Denn Probanden in Kontrollgruppen, die gemütlich sitzen und Videos schauen konnten, fühlten sich am Ende des Experiments nicht annähernd so belebt und erfrischt wie die flanierenden Freiwilligen.

6 Spazieren verbindet

Mit anderen umherzuschlendern ist womöglich eine wichtiges Mittel zur Pflege unserer Freundschaften und sozialen Beziehungen: „Die gemeinsame Bewegung könnte als Mittel zur Beseitigung von Streitereien und Konflikten dienen“, schreibt ein Team von Psychologen an der Columbia University in New York. Die Wissenschaftler wollen sich künftig genauer mit dem friedensstiftenden Potenzial des gemeinschaftlichen Spazierens beschäftigen.

Literatur

Samuel Harvey u. a.: Exercise and the prevention of depression: Results of the HUNT cohort study. The American Journal of Psychiatry, 2017. DOI: 10.1176/appi.ajp.2017.16111223

Anthony Delli Paoli u. a.: Does walking mitigate affective and cognitive responses to social exclusion? Journal of Sport & Exercise Psychology, 2017. DOI: 10.1123/jsep.2016-0202

Bettina Heike Bewernick u. a.: Walking away from depression-motor activity increases ratings of mood and incentive drive in patients with major depression. Psychiatry Research, 2017. DOI: 10.1016/j.psychres.2016.09.009

Neal Lathia u. a.: Happier people live more active lives: Using smartphones to link happiness and physical activity. PLOS ONE, 2017. DOI: 10.1371/journal.pone.0160589

Christine Webb u.a.: Stepping forward together: Could walking facilitate interpersonal conflict resolution? American Psychologist, 2017. DOI: 10.1037/a0040431

Chun-Yu Kuo, Yei-Yu Yeh: Sensorimotor-conceptual integration in free walking enhances divergent thinking for young and older adults. Frontiers in Psychology, 2016. DOI: 10.3389/fpsyg.2016.01580

Jeffrey Conrath Miller, Zlatan Krizan: Walking facilitates positive affect (even when expecting the opposite). Emotion, 2016. DOI: 10.1037/a0040270

Marily Oppezzo, Daniel Schwartz: Give your ideas some legs: The positive effect of walking on creative thinking. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 2014. DOI: 10.1037/a0036577

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