„Wer mich beleidigt, entscheide ich“

Patienten, die zu spät kommen, ausfallend werden, den Therapeuten ausfragen: Psychoanalytiker Micha Hilgers sagt, wie man Grenzen setzt

Wenn Patienten ihrem Therapeuten gegenüber respektlos und grenzüberschreitend werden, ist es unumgänglich, Grenzen aufzuzeigen. © izusek/Getty Images

Herr Hilgers, wenn eine Patientin Sie fragt: Wie war denn Ihr Urlaub – was antworten Sie?

Gut! Denn in der Regel habe ich schöne Urlaube und kein Problem damit, das auch zu sagen. Ich halte nichts davon, dass man als Therapeut grundsätzlich nichts von sich preisgeben darf. Wenn mich also ein Patient fragt: „Hatten Sie einen schönen Urlaub?“, dann würde ich mich doch sehr verrückt verhalten, wenn ich frage: „Sie interessieren sich für meinen Urlaub?“, es also als Spiegel zurückgebe.

Es gibt ja ein enormes Gefälle zwischen Patientin oder Patient und dem Behandler, weil der Patient viele intime Details von sich und seinem Leben, seinen Beziehungen und seiner Vergangenheit preisgibt, und ich als Psychotherapeut tue das nicht. Und um dieses Gefälle etwas zu reduzieren ist es doch entlastend, wenn ich sage, wie mein Urlaub war. Der amerikanische Psychoanalytiker Leo Stone hat schon 1968 gesagt, niemand würde besonderen Schaden nehmen, wenn der Patient wüsste, dass man von Segeln mehr versteht als von Bridge und seinen Urlaub in Südfrankreich verbracht hat.

Wenn Sie jetzt einen Patienten haben, bei dem Sie merken, dass er mehr über Sie erfahren möchte. Er fragt zum Beispiel: Sind Sie denn Alemannia Aachen-Fan? Haben Sie das Spiel am Wochenende gesehen? Und gehen Sie denn auch mit Ihren Kindern ins Stadion? Wie ziehen Sie da eine Grenze?

Also, die Grenze ist für mich spätestens erreicht, wenn jemand meine Familie anspricht. Die gehört da nicht hin und die schütze ich natürlich. Ich würde den Patienten außerdem darauf aufmerksam machen, dass er sich immer häufiger nach meinem Privatleben erkundigt. Und fragen, was das mit seinem Anliegen zu tun hat. „Sagen Sie mal Ihre Frage, ob ich mit anderen zu einem Alemannia-Spiel gehe: Was hat das mit Ihrem Anliegen zu tun?“ Das ist jetzt auch noch keine brüske Zurückweisung – in psychotherapeutischen Situationen sollte man zu große Beschämungen ja vermeiden.

Eine Grenze zu setzen ohne den anderen zu beschämen, ist eine große Kunst.

Ja, klar. Das ist nichts, was man so von Geburt an mitbekommt. Da ist es gut, wenn man Vorbilder hat, die mir das einfach mal wörtlich vorstellen, wie ich das gerade getan habe.

Wie haben Sie da als junger Analytiker gemacht?

Vermutlich bescheuerter. (Er lacht)

Dieses Interview ist eine ausführliche Version des Editorials aus Psychologie Heute 9/2024 Meine Grenzen und ich. Sie retten nicht nur uns, sondern auch unsere Beziehungen: Wie es gelingt, uns zu behaupten

Das eine ist ja, eine Grenze zu ziehen. Das andere ist, wahrzunehmen, dass eine überschritten wurde. Haben Sie das immer sofort gemerkt: Das geht gerade zu weit?

Typischerweise passiert sowas bei voyeuristischen oder exhibitionistischen Aussagen von Patientinnen oder Patienten. Man ist selbst beschämt, weil eine Intimitätsgrenze überschritten wurde, und erstarrt. Aus diesem schamhaften Erstarren muss man sich dann irgendwie wieder rausschälen. Das ist mir natürlich am Anfang nicht so gut gelungen. Und dann habe ich gelernt, dass es überhaupt nichts macht, wenn ich einen Moment nachdenke, um mich wieder zu fangen, und mich frage: Worum geht es hier jetzt eigentlich? Da wird man mit wachsender Erfahrung und zunehmendem Alter sicherer. Ich erlebe das auch bei Kolleginnen und Kollegen so, dass sie mit den Jahren viel eleganter darauf zu sprechen kommen, was das jetzt gerade eigentlich mit den Therapiezielen zu tun hat.

Hilft Ihnen Humor, um die Beschämung etwas abzufedern?

Unbedingt. Wenn es nicht ein Auslachen, ein Verhöhnen ist, sondern ein gemeinsames Lachen. Das ist der entscheidende Punkt. Darf ich als Psychotherapeut Witze machen über die Situation? Darf ich die Patienten mal nachmachen oder karikieren? Am Anfang nicht. Und selbst, wenn mehr Vertrauen da ist, erfordert es viel Feingefühl. Da kann man auch daneben liegen, man macht ja immer Fehler. Es gehört dazu, dass ich zu meinen Fehlern stehe und sage: „Es tut mir leid, ich wollte Sie an der Stelle nicht kränken. Das habe ich überhaupt nicht gesehen.“

Die höchste Stufe der Erleuchtung, könnte man sagen, ist, wenn der Patient Witze über mich macht und ich Witze über den Patienten mache. Da entsteht eine Lockerheit, eine Gelassenheit, die distanzierend wirkt. Man ist nicht mehr so in den Symptomen befangen. Humor hat die großartige Eigenschaft der Emanzipation. Deshalb sind politische Witze in Diktaturen, in totalitären Systemen ja so gefürchtet: Weil der Witz innerhalb von Sekunden eine Tatsache auf den Punkt bringt, einen Zusammenhang erklärt, wo man sonst 20 Minuten referieren müsste.

Wie ist es, wenn ein Patient Sie wirklich unangenehm kritisiert? Also zum Beispiel sagt: „Herr Hilgers, ich finde, Sie sind ein Arsch“?

(Er lacht) Dann würde ich erst einmal sagen: „Aha. Wie kommen Sie darauf?“ Aber im zweiten Schritt würde ich darauf hinweisen, dass wir gerne gegenseitig Kritik äußern können, aber ich einen respektvollen Ton erwarte. Und je nach Patient – wenn es zum Beispiel jemand mit einer deutlichen Persönlichkeitsstörung und einem Hang zu regelverletzendem Verhalten ist – würde ich nachschieben: „Habe ich mich klar ausgedrückt?“

Sie würden also nicht sagen: Jede Aussage der Patientin dient dem Prozess. Und erst einmal fragen: Seit wann empfinden Sie so?

Ich würde schon sagen: Ich erwarte von Ihnen einen respektvollen Umgang. Wenn Sie meinen, dass ich mich nicht korrekt verhalten habe, dann können wir darüber sprechen. Aber nicht, indem Sie mich beschimpfen. Aber zunächst würde ich mal gelassen reagieren. Da fällt mir ein Zitat von Klaus Kinski ein: Wer mich beleidigt, entscheide immer noch ich.

Diese Haltung fällt vermutlich in der Rolle als Therapeut leichter als im Privatleben, oder?

Ja, durch die berufliche Rolle ist es leichter. Wobei ich natürlich auch nicht immer bei dieser Haltung bleiben kann. Ich glaube, dass es für manche Patienten wichtig ist, dass sie erleben, dass sie mich aus der Fassung bringen können. Dann spüren sie: „Der Kerl ist mit mir in Beziehung, und jetzt ist er am Anschlag und zeigt das auch.“ Haben wir das zusammen durchgestanden, ändert sich oft etwas.

Sie erzählen in Ihrem Buch von einem Fall, bei dem ein Patient Ihnen einen Kaschmirschal aus der Praxis geklaut hat und ihn dann beschmutzt wiederbringt. Wie gehen Sie mit solch einem Übergriff um?

In dem Fall habe ich nicht rechtzeitig gemerkt, dass dieser Mensch eine dissoziale oder psychopathische Akzentuierung hat. Nach dem Motto: Das kann doch nicht wahr sein. Das ist eine Erfahrung, die viele Menschen machen, die nicht misstrauisch sind und selbst nicht zu solchen Verhaltensweisen neigen. Man ist bei Menschen, die nicht kriminell sind, also unter Umständen nicht polizeilich auffallen, aber deutliche Regelverletzungen zeigen, geneigt, diese Regelverletzung erst einmal zu leugnen. Das ging mir auch so.

Und so war es wie bei der Geschichte vom Hase und Igel: Ich war immer zu spät dran bei diesem Patienten, immer ein Stück hinterher. Ich merkte, dass bei ihm etwas nicht stimmt, und begann in der Behandlung, ihm auf die Pelle zu rücken. Er sagte mir dann, er gehe zu einer Kollegin von mir, die sei deutlich einfühlsamer oder freundlicher als ich. Und als er weg war, fand ich den Schal mit den Flecken vor. Da ist mir die Spucke weggeblieben. Er hat noch mal ein Statement gesetzt, mir einen verplättet, wenn Sie so wollen.

Was haben Sie daraus gelernt?

Im Laufe der Jahre habe ich verstanden, wie wichtig die radikale Akzeptanz meiner Gegenübertragung ist: Ja, da habe ich mich täuschen lassen. Da bin ich in die Irre gegangen. Und das ist kein schwerer Fehler, sondern es gehört dazu.

Bei dem Mann dachte ich: Das ist eine Anpassungsstörung, er ist sehr belastet. Aber das war nicht die Geschichte. Und ich merkte nach und nach: Der sagt mir nicht die Wahrheit. Ich gehe ja in der Psychotherapie erst einmal von gegenseitiger Wahrhaftigkeit aus, ich bin darauf angewiesen, dass der Patient, die Patientin mir die Wahrheit sagen –„never lie to your therapist“, heißt es ja so schön.

Wir müssen erst einmal einen Raum schaffen, in dem wir zuhören, in dem wir dem folgen, was der Patient, die Patientin erzählen. Und erst nach und nach fallen uns dann Widersprüche auf, Ungereimtheiten, und dann können wir anfangen, uns mit eventuellen Unwahrhaftigkeiten – beabsichtigten wie unbeabsichtigten – auseinanderzusetzen. Man muss ja unterscheiden zwischen Realitätsverzerrung, maladaptiven Beziehungsgestaltungen oder bewussten Unwahrhaftigkeiten, Manipulation. Die Übergänge sind fließend. Und so brauchen wir Zeit, um das zu realisieren.

Grundsätzlich ist es nützlich, wenn wir in schräge Situationen mit den Patienten geraten, und im günstigen Fall diese schrägen Situationen nutzen, um etwas zu verstehen. Im günstigsten Fall gemeinsam.

Oder in diesem Fall: Sie alleine.

Ja, der Patient war ja dann weg. (Er lacht)

Haben Sie gedacht: Das darf mir nicht wieder passieren – ich muss schneller werden im Verstehen und Grenzenziehen?

Nein, es ist schön, wenn ich das schneller merke. Aber davon kann ich nicht ausgehen. Da müssen wir als Behandlerinnen und Behandler eine gewisse Schamtoleranz zur Verfügung stellen.

In manchen Fällen können wir dabei damit auch ein Modell sein für die Patientinnen. Ein Beispiel: Ich frage eine Patientin: „Was sagt denn Ihr Bruder dazu?“ Und die Patientin sagt: „Der ist doch vor einem Jahr verstorben.“ Ach du Scheiße. Das ist peinlich. Ich werde die Patientin um Nachsicht und Entschuldigung bitten. Und irgendwann fragen: Wie haben sich mich dabei erlebt? Ich habe einen Fehler gemacht und ich habe das überlebt, bin nicht weggelaufen, bin da geblieben. Und das geht.

Über denselben Patienten, der Ihren Schal geklaut hatte, berichten Sie auch Folgendes: Er hat in der Therapie erzählt, er habe harten Sex mit seiner Frau gehabt, die habe das immer gemocht. Und jetzt würde sie plötzlich sagen, er habe sie vergewaltigt. Wie gehen Sie damit um?

Erst einmal bin ich nicht sicher: Was ist jetzt eigentlich stimmig? Dann hat er mir aber weitere Grenzüberschreitungen geschildert und mir wurde klar: Dieser Mann neigt dazu, Regeln zu verletzen. Damit habe ich dann konfrontiert, und zwar deutlich.

Das ist etwas, was wir als Therapeutinnen und Therapeuten immer wieder machen müssen, vor allem in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ist das von Bedeutung. Man muss Eltern oder Erziehungsberechtigten sagen, dass sie ihr Kind misshandeln, vernachlässigen, und das auch mit einer notwendigen Portion an Aggression. Und auch sagen: „Ich komme hier zu einer Güterabwägung zwischen meiner Schweigepflicht und dem Kindswohl. Und wenn Sie Ihr Verhalten nicht ändern, entscheide ich mich für das Kindswohl und werde eine Meldung an das Jugendamt machen.“

Sie ziehen also auch juristisch eine Grenze.

Ja, es gibt Situationen, wo man Konsequenz ziehen muss.

Wie gehen Sie damit um, wenn jemand zu Ihnen in die Therapie kommt und Sie merken: Der Klient, die Klientin ist Ihnen nicht sympathisch? Ziehen Sie dann gleich eine Grenze und sagen: Das wird nichts mit uns?

Die Frage ist: Warum ist mir jemand nicht sympathisch? Weil ich finde, dass sie eine unangenehme Person ist? Dann sage ich: Hören Sie, ich habe im Verlauf unseres Gesprächs den Eindruck gewonnen: Das passt nicht zwischen uns. Und das Wesentliche in der Psychotherapie, die Basis ist, dass die Chemie stimmt.

Ich habe vor vielen Jahren mal eine Patientin gesehen, die sah meiner Schwester außerordentlich ähnlich. Ich dachte: Ok, der Eindruck geht vorbei. Das war aber nicht so. Und nach der vierten Stunde habe ich zu der Frau gesagt: Das geht nicht mit uns, Sie ähneln meiner Schwester so, dass mich das immer wieder irritiert. Nicht weil ich ein fürchterliches Verhältnis zu meiner Schwester hätte, sondern weil ich schlicht immer wieder den Eindruck habe, meine Schwester säße vor mir. Die Patientin war sehr wütend, weil ich es so spät gesagt habe, als die therapeutische Beziehung schon aufgebaut war. Das konnte ich gut verstehen.

Sie haben Schamgefühle in der Therapie bereits angesprochen. Kommt es noch vor, dass Sie das Gefühl haben: Über dieses Thema würde ich nun lieber nicht sprechen? Oder gibt es da keine Grenzen mehr für Sie?

Sexualität und Aggression sind ja beides Themen, die mit Triebhaftigkeit, mit Leidenschaft zu tun haben, das hat mich nie so geängstigt. Was ich allerdings im Laufe der Zeit gelernt habe, ist, dass es darauf ankommt, wie jemand erzählt: Hat es etwas Obszönes, um mich zu beeindrucken, oder etwas Flirtiges, Verführerisches? Oder geht es um die Sache, darum, etwas zu klären?

In der Supervision höre ich es öfter von Kolleginnen, dass Männer versuchen, sie zu beschämen, sie auf machohafte Weise zu beindrucken, mit umgangssprachlichen Ausdrücken. Da muss man sich dann aus der Befangenheit herausarbeiten und fragen: „Worum geht es hier eigentlich? Sie legen großen Wert darauf, sexuelle Dinge im Detail zu schildern Wozu tun Sie das? Was hat das mit uns beiden zu tun?“ Das ist eine ganz wichtige Frage in der Psychotherapie. Die muss man natürlich einigermaßen gelassen stellen können. Und damit rechnen, dass der Patient antwortet: Weil ich Sie toll finde. Das passiert. Ob das den Tatsachen entspricht oder ob es eine Übertragungsliebe ist oder ein Versuch, Macht auszuüben und die Situation zu kippen – das muss man dann herausfinden.

Eine andere Grenze, die Therapeutinnen und Therapeuten ziehen müssen, betrifft den Umgang mit Zeit. Ein Patient kommt entweder immer zu spät oder versucht, am Ende immer länger zu blieben. Was tun?

Im ersten Fall sage ich: „Sie kommen grundsätzlich pünktlich zu spät.“ Aber das ist ja dessen Problem, weil ihm die Zeit in der Sitzung fehlt.

Sie empfinden es nicht als Missachtung Ihrer Arbeit?

Das kann so sein. Aber es kann auch andere Ursachen haben: Es gibt sehr zwanghafte, sich verzettelnde Patientinnen und Patienten. Die kommen zu spät, weil sie einfach nicht aus den Füßen kommen. Es gibt Patienten, die damit eine gewisse Macht demonstrieren wollen. Es gibt solche, die sehr strukturschwach sind und Dinge einfach nicht geregelt kriegen oder sich regelmäßig verkalkulieren. Man muss es ansprechen.

Am Ende einer Stunde, das ist der anderer Klassiker: „Was ich noch sagen wollte, ich habe da noch eine Frage…“ Dann gibt es von „Das können wir gerne in der nächsten Stunde besprechen“ bis hin zu „Die Stunde ist zu Ende, sind Sie so gut, das Zimmer zu verlassen?“ viele Abstufungen. Und ich werde auch von meiner Körperhaltung her deutlich.

Bewusst oder unbewusst?

Beides. Und beides trägt zur Klarheit bei.

Ich empfehle es auch manchmal Patientinnen und Patienten, die sehr aggressionsgehemmt sind oder die sehr negative Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend hatten, zum Beispiel einen Selbstverteidigungskurs zu besuchen. Nicht, damit es im Leben gewalttätiger zugeht, sondern damit sich eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit Aggression einstellt.

Ich habe viele Jahre Selbsterfahrungsgruppen geleitet, in denen oft nur Frauen saßen, ich war der einzige Mann. Und da gab es eine deutliche Aggressionshemmung, die waren alle so wahnsinnig freundlich zueinander. Und zum Auflockern habe ich dann mal nach der Mittagspause gesagt: Bilden Sie Paare und geben Sie sich gegenseitig eine Ohrfeige, die ihre Partnerin mit der Hand abwehrt. Und es dauerte regelhaft keine drei Durchgänge, da musste ich laut „Stopp!“ rufen, weil die plötzlich aufeinander eindroschen. Manchmal merkt man erst dann, wie viel Aggression in einem steckt. Und jedes Mal verliefen die Gruppen anschließend vollkommen anders. Wenn man mal ein anderes Modul als die Sprache wählt, verändern sich die Dinge potenziell.

Ich hasse Gewalt. Ich setze mich mein Leben lang mit Formen von Gewalt, von Destruktivität, Dissozialität auseinander. Ich habe großen Respekt davor. Manches ängstigt mich, das muss ich auch klar sagen. Aber es ist Teil unserer sozialen Wirklichkeit. Das gilt es, in irgendeiner Form zu integrieren.

Wie schützen Sie sich selbst vor zu viel Mitgefühl, das ja Ihren Patientinnen und Patienten auch nicht hilft?

Ich oszilliere ständig: Ich fühle mich ein und versuche zu verstehen: Worum geht es hier eigentlich? Und gleichzeitig frage ich: Wo wollen wir hin? Ich wechsle zwischen emotionaler und kognitiver Empathie. Betroffenheit allein hilft ja keinem. Ich habe Mitgefühl, aber ich schaue auch, was hilft, was lässt sich vorwärts verändern? Das ist ja der Grund, warum jemand zu mir kommt.

Dipl.-Psych. Micha Hilgers ist Psychoanalytiker (DGPT) mit jahrzehntelanger Erfahrung, Gruppenanalytiker, Supervisor, Coach und Autor des Buches Der authentische Psychotherapeut

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