Jeannette Kath erzählt:
„Können Sie sich an diese Situation erinnern, wenn man auf der Jugendfreizeit Tischdienst hat und Essensreste in Bottiche leeren muss? Das hat mich immer geekelt. Wie ich aber eine schwere Emetophobie, also Angst vor dem Erbrechen entwickeln konnte, weiß ich nicht. Tatsächlich erbrechen musste ich nie.
Mit 19 bekam ich erste Panikattacken. Ich saß zum Beispiel mit den Eltern meines damaligen Freundes im Restaurant. Als mein Essen kam, meinte ich plötzlich, einen Magen-Darm-Infekt zu haben. Ich wusste nicht, dass ich aufgrund meiner Angst Übelkeit, Schwindel und Herzrasen spürte. Wir brachen den Restaurantbesuch ab.
Solche Situationen gab es immer wieder. Mein Umfeld reagierte verständnisvoll, mein Freund fuhr mich zur Berufsschule, weil ich wegen der Emetophobie auch nicht mehr Bahn fahren konnte. Und ohne jemanden dafür kritisieren zu wollen: Vielleicht war das Verständnis Teil des Problems. Bei Süchtigen würde man von Co-Abhängigkeit sprechen.
Wo liegt die Ziellinie?
Erst nach der Trennung und einem Auslandsaufenthalt bemerkte ich, wie eingeschränkt mein Leben tatsächlich war. Ich gestand mir ein, dass ich eine Psychotherapie brauchte.
Schleichend verbesserte sich mein Zustand. Ich lernte, katastrophisierenden Gedanken entgegenzusteuern und Angst zu akzeptieren, statt Angst vor Panikattacken zu haben.
Ich wartete darauf, eine Ziellinie zu überschreiten, ab der ich gesund wäre. Sie kam aber nicht. Stattdessen erlebte ich viele kleine Erfolge. Vor vier Jahren habe ich vergessen, Übelkeitsmedikamente für den Urlaub einzupacken. Es geht mir wieder gut.“